Das neue Seewasserwerk in Ipsach produziert zukünftig Trinkwasser für 70.000 Personen in der Region Biel/Nidau im Schweizer Kanton Bern. Das bestehende (alte) Seewasserwerk hat nach fast 50 Jahren seinen Dienst getan und wird durch ein neues ersetzt, um den gestiegenen Anforderungen an eine moderne Wasserversorgung gerecht zu werden. Für das Seewasserwerk am Bielersee stellte sich die Frage, wie die Wärmebereitstellung in Zukunft sinnvoll erfolgen kann. Dazu wurde das Ingenieurbüro EPRO beauftragt, das für die Planung und Umsetzung der Gewerke HLKS und GA verantwortlich ist.
Eine zentrale Anforderung an die zukünftige Energieversorgung ist, dass die Abwärme der bestehenden Notstrom- und Ozonisierungsanlagen genutzt wird, um den Wärmebedarf für Raum- und Hallenheizung, Brauchwarmwasser und für industrielle Prozesse auf unterschiedlichen Temperaturniveaus zu decken. Zwei alte Seewasserbecken stehen zur Speicherung der thermischen Energie zur Verfügung.
In der ersten Phase der Planung analysierte EPRO gemeinsam mit dem Kunden die Bezugsprofile im Jahresverlauf, um eine realistische Einschätzung zu erhalten. Im nächsten Schritt erfolgte eine Abschätzung des Wärmeeintrags durch die Notstrom- und Ozonisierungsanlagen über das gesamte Jahr hinweg. In einem dritten Schritt wurden die Wärmeverbraucher und ‑quellen in der Simulationssoftware Polysun von Vela Solaris detailliert dargestellt. Dabei wurden auch die thermischen Großspeicher sowie der Einsatz einer 150 Kilowatt Wärmepumpe als Backup-System in einer umfassenden Gesamtbetrachtung berücksichtigt.
Die Analyse der in Polysun erstellten Basisvariante zeigte verschiedene Optimierungsmöglichkeiten auf:
- zusätzliche Verbraucher können eingebunden werden, da die Wärmeeinträge deutlich die ‑austräge übersteigen
- das Brauchwarmwasser sollte idealerweise mit einem Wärmepumpen-Boiler bereitgestellt werden
- die Dimensionierung der Wärmepumpe kann reduziert werden
- auch bei der Dimensionierung der Speicher gibt es Potential
In der nächsten Phase hat EPRO die Optimierungsmöglichkeiten – wiederum in Polysun – simuliert, die Planungsgrundlagen im Detail überprüft und für eine Sensitivitätsbetrachtung aufbereitet, damit selbst bei konservativen Annahmen bei der Abwärme eine zuverlässige Energieversorgung sichergestellt ist.
Im weiteren Projektverlauf wurde das Optimierungspotential durch EPRO gemeinsam mit dem Projektteam sukzessive erschlossen. Weitere Wärmebezieher wurden in die Energieversorgung eingebunden. So wurde die ursprünglich geplante elektrische Temperaturhaltung der Notstromanlagen auf eine thermische Temperaturhaltung umgestellt und eine Beheizung der Werkstatt vorgesehen.
Für den Wärmeeintrag der Ozonierungsanlage wurde in einer Sensitivitätsbetrachtung ein konservatives Szenario hinterlegt. Der so gestiegene Nutzenergiebedarf von 150 Prozent und gesunkene Wärmeeintrag von 63 Prozent wurde im Polysun-Modell aktualisiert hinterlegt und die simulierte Anlage deutlich verkleinert – nur ein statt zwei Speicher und Wärmepumpe mit einer Leistung von 50 anstatt 150 Kilowatt. Die Simulation zeigte, dass die Energieversorgung auch mit der redimensionierten Anlagengröße ganzjährig zuverlässig sichergestellt werden kann. Der zweite Speicher wird dabei eine Redundanzfunktion übernehmen.
Der Einsatz von Simulation in der Planung führt dazu, dass die Energieversorgung des Seewasserwerks in Ipsach nun deutlich effizienter gestaltet werden kann:
- die Abwärmenutzung konnte um 150 Prozent gesteigert werden
- die Wärmepumpenleistung konnte um 66 Prozent reduziert werden
- bei dem Speichervolumen konnte ein Einsparpotential von rund 30 Prozent aufgezeigt werden.
So schont dies auch das Budget mit substanziell tieferen Investitions- und Betriebskosten.