Zugang zu sauberem Trinkwasser. Es gibt wohl kaum jemanden, der dieser Forderung – die die UN-Generalversammlung 2010 als Menschenrecht anerkannt hat – nicht zustimmen möchte. Ebenso unstrittig dürfte sein, dass die Umsetzung dieses Menschenrechts, global betrachtet, noch lange nicht zufriedenstellend erreicht ist. Doch wie lässt sich diese Aufgabe meistern?
Dazu hat sich Volkswirt Dr. Wolfgang Bretschneider von der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Rahmen seiner Dissertation an der Uni Leipzig Gedanken gemacht und seine Ergebnisse nun in Buchform der Öffentlichkeit vorgelegt. Die flächendeckende Umsetzung des Rechts auf Wasser scheitere, so seine Analyse, bereits daran, dass bislang gar nicht geklärt ist, was mit dieser Forderung denn konkret gemeint ist. „Muss das Wasser aus einem Leitungsnetz direkt ins Haus kommen, muss es rund um die Uhr verfügbar sein und wieviel darf es kosten“, nennt Bretschneider exemplarisch Fragen, die es zunächst zu klären gilt. „Da Wasser eine begrenzte Ressource ist, spielen zudem ökologische Aspekte eine zentrale Rolle“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
In dem Band widmet sich Bretschneider zunächst allem, was dem Zugang zu Wasser entgegensteht: den Zugangshürden, wie dem Wasserpreis oder der räumlichen Entfernung. Und er stellt die Frage nach deren Legitimität, denn: „Es kann nicht darum gehen, das Menschenrecht auf Wasser von vornherein als Anspruch auf uneingeschränkte Verfügbarkeit, rund um die Uhr, mit Hausanschluss und entgeltfrei zu definieren“, stellt er klar. „Eine solche Paradiesversorgung ist nicht nur nicht umsetzbar, sondern auch nicht nachhaltig.“ Und das habe ebenso ökologische wie ökonomische Gründe. Es gebe international genügend Beispiele dafür, dass ein kostenfreier Zugang zu Wasser sogar kontraproduktiv ist. „Gerade in Entwicklungsländern wachsen die Unterhaltskosten den öffentlichen Betreibern der Versorgungsnetze über den Kopf“, weiß Bretschneider. Die Folge: Wasserverlust in den Leitungssystemen, Lieferunterbrechungen und besonders eine verminderte Qualität des bereitgestellten Wassers. In vielen afrikanischen Ländern beispielsweise bedeutet dies, dass die Menschen dann eben doch wieder auf teureres Flaschenwasser zurückgreifen müssen.
Die aktuell auch hierzulande geführte Grundsatzdebatte um eine Wasserversorgung aus öffentlicher oder privater Hand führe daher am Kern des Problems vorbei, ist Bretschneider überzeugt. Er bindet in die Idee eines Zugangsrechts die Frage nach der Nachhaltigkeit mit ein. „Nur was nachhaltig funktioniert, ist auch gerecht.“ Und so stellt er in seiner Arbeit neben die „Zumutbarkeit“ und „Nicht-Diskriminierung“ erstmals auch die „Funktionalität“ von Hürden als normatives Prüfkriterium zur Beurteilung eines gerechten Zugangs zu Wasser. Konkret heißt das: „Um das Menschenrecht auf Wasser zu erfüllen, muss ich nicht nur die räumlichen, zeitlichen und pekuniären Hürden in einem für jeden einzelnen Menschen zumutbaren Rahmen halten, der niemanden diskriminiert“, so Bretschneider. „Ich muss auch schauen, dass mein System so funktional ist, dass sich damit auch künftig das Menschenrecht auf Wasser umsetzen lässt.“
Angesichts der häufig sehr einseitig und sehr emotional geführten Debatten um global agierende Lebensmittelkonzerne, die in von Dürre bedrohten Staaten Wasserquellen anzapfen, das Wasser in Flaschen füllen, um es an die örtliche Bevölkerung zu verkaufen, plädieren Bretschneider und seine Kollegen dafür, die Diskussion zu versachlichen. „Soziale, ökonomische und ökologische Interessen sollten nicht gegeneinander aufgerechnet, sondern im Zusammenhang bewertet werden“, unterstreicht Bretschneider. Das sei im Übrigen nicht nur ein Problem in den Entwicklungs- oder Schwellenländern. „In Deutschland beispielsweise geht es um die Frage nach einem angemessenen Preis für Trinkwasser.“ Dieser müsse alle, auch die ökologischen Kosten einschließen, um einen nachhaltigen Umgang mit der wertvollen Ressource zu fördern.