Lang anhaltende Trockenheit und Hitzerekorde setzen der Landwirtschaft immer stärker zu. Auch in Deutschland gefährden Dürren inzwischen eine ertragreiche Ernte. Insbesondere für wasserarme Regionen und ausgewählte Pflanzen bietet sich ein Anbausystem mit einer neuartigen Bewässerungstechnologie mit aufbereitetem Abwasser an. Ergebnisse und konkrete Empfehlungen für die Praxis zu dieser alternativen landwirtschaftlichen Anbauform mit Wasserrecycling liegen nun vor.
Ist es möglich, den hohen Wasserverbrauch in der landwirtschaftichen Pflanzenproduktion durch den Einsatz von recyceltem Abwasser zu minimieren? Und lassen sich gleichzeitig wertvolle Nährstoffe aus dem Abwasser im Anbauprozess recyceln und für die Produktion verschiedener Gemüsesorten und Zierpflanzen nutzen? In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt HypoWave haben Wissenschaftler*innen einen Weg gefunden, diese beiden Ziele miteinander zu vereinen. In einem Gewächshaus hat das interdisziplinäre Team Salatpflanzen in Pflanzgefäßen ohne Verwendung von Erde angebaut. In diesem sogenannten hydroponischen Verfahren werden die Pflanzen über eine Nährlösung versorgt. Im Vergleich zum herkömmlichen Anbau versickert kein Wasser im Boden und es verdunstet deutlich weniger. Die Besonderheit: Erstmals wird für diesen hydroponischen Pflanzenbau aufbereitetes Abwasser verwendet. Es stammt aus der benachbarten Kläranlage und wird über ein mehrstufiges Verfahren behandelt und hygienisiert. Gleichzeitig werden aus dem Abwasser Nährstoffe gewonnen, die für ein gesundes Pflanzenwachstum notwendig sind. Diese können – wie das Bewässerungswasser selbst – im Kreislauf geführt werden.
Win-win-Situation für Landwirtschaft und Abwasserbetriebe
„Das Besondere am bodenlosen hydroponischen Pflanzenbau in unserer Pilotanlage ist, dass wir das ohnehin wassersparende Verfahren durch den Einsatz von speziell aufbereitetem Abwasser erfolgreich optimieren konnten“, sagt Projektleiter Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig. Mit der Verwendung des gereinigten Abwassers könne nicht nur eine bislang ungenutzte Wasserquelle erschlossen werden. Die Pflanzen eigneten sich im HypoWave-Konzept auch für die weitergehende Abwasserreinigung, weil sie Stickstoff und Phosphor aufnehmen. Dadurch werde ein optimales Pflanzenwachstum bei guter Nährstoffversorgung erzielt und gleichzeitig das Wasser durch diesen Nährstoffentzug gereinigt. „Das Pilotprojekt auf dem Gelände der Kläranlage Hattorf bei Wolfsburg hat uns gezeigt, dass das HypoWave-Verfahren aufgrund seiner Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz eine Win-win-Situation für Landwirtschaft und Abwasserentsorger bedeuten kann“, sagt Dockhorn.
Regionale Lebensmittelerzeugung trotz Wasserknappheit
Das HypoWave-Verfahren bietet sich vor allem für den Anbau von Gemüsesorten wie Gurken, Tomaten, Paprika oder Salat an. Ein möglicher Einsatzort in Deutschland sind ländliche Gegenden mit regionaler Wasserknappheit und Kläranlagen ohne nennenswerte industrielle Einleitung. Hier kann das Verfahren zu einer ganzjährigen regionalen Gemüseproduktion beitragen. Es ist aber auch für den Anbau in Regionen, die wie Spanien oder Portugal chronisch von Wassermangel betroffen sind, interessant. „Für die Umsetzung des HypoWave-Verfahrens sind jetzt landwirtschaftliche Betriebe mit Innovationsinteresse gefragt“, sagt Projektkoordinatorin Martina Winker vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. Möglichkeiten für den Einstieg in diese nachhaltige Pflanzenproduktion böten sich in Deutschland immer wieder, da Kläranlagen ohnehin umstrukturierten – etwa, weil sie die vierte Reinigungsstufe einführen oder aus anderen Gründen einen Umbau ihrer Wasserinfrastruktur vornehmen müssen. „Hier öffnen sich Gelegenheitsfenster für Kooperationen zwischen Landwirten und Abwasserbetrieben.“
Risikomanagement für erfolgreichen Anbau
Die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Anbau und eine ertragreiche Ernte sei ein umfassendes Risikomanagement. „Landwirten stellt sich die Frage, ob ein Risiko mit dem Anbau verbunden ist“, beobachtet Thomas Dockhorn. „Deshalb empfehlen wir schon bei der Wahl der Kläranlage, darauf zu achten, dass es sich um kommunales Abwasser ohne größere industrielle Einleitung handelt, damit keine problematischen Schwermetallkonzentrationen entstehen.“ Zudem wurde die mikrobiologische Qualität von Bewässerungswasser und Produkten im Projekt untersucht. Dabei wurde deutlich, dass keine erhöhte Belastung aufgrund der Herkunft des Wassers nachgewiesen werden konnte. Insgesamt empfiehlt das Projekt jedoch ein mehrstufiges Risikomanagement, beginnend bei Arbeitshygiene und Arbeitsschutz über zusätzliche Elemente wie eine UV-Bestrahlung des Bewässerungswassers bis hin zur strikten Trennung von Wasser- und Pflanzensphäre.
Landschaftskonzept für nachhaltige Umsetzung des HypoWave-Verfahrens
Zwei weitere Nachhaltigkeitsaspekte, die ganz grundsätzlich beim Anbau in Gewächshäusern beachtet werden sollten, wurden im Projekt untersucht: „Wir haben uns damit beschäftigt, dass die Produktion im Gewächshaus das Landschaftsbild stören kann, und dass die ‚Abschottung‘ von der Natur durch den Anbau unter Glas oder Folie Konsequenzen für Ökosysteme haben kann“, sagt Martina Winker. „Es ist deshalb wichtig, dass solche Systeme in landschaftliche Gestaltungskonzepte und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen eingebunden werden.“ Im Projekt wurden deshalb auch Empfehlungen entwickelt, wie das HypoWave-Konzept sowohl ästhetisch als auch mit Blick auf den Erhalt nachhaltiger Ökosystemleistungen in die Landschaft eingebettet werden kann.