Um ihre Leitungsnetze von Verunreinigungen und Ablagerungen zu befreien, spülen Wasserversorger die Rohre bei Bedarf mit großen Mengen Wasser und hohem Energieaufwand. Im Forschungsprojekt IMProvT (Intelligente Messverfahren zur Prozessoptimierung von Trinkwasserbereitstellung) hat die TH Köln mit ihren Projektpartnern ein Verfahren entwickelt, das eine ressourcenschonende Reinigung der Leitungen und damit einen energieoptimierten Betrieb ermöglicht.
Der Wasserverbrauch pro Kopf ist seit den 1990er Jahren deutlich zurückgegangen. Daher sind heute viele Leitungsnetze überdimensioniert – gerade in Gebieten mit schrumpfender Bevölkerung. Die Folge sind Ablagerungen. „Die gängige Methode zur Reinigung ist es, die Leitungen mit einer großen Wassermenge und mit hohem Druck durchzuspülen. Dabei wird viel Energie verbraucht und das verwendete Waser kann aufgrund der hohen Trübung durch die abgelösten Verschmutzungen anschließend nicht mehr verwendet werden“, erläutert Prof. Dr. Christian Wolf vom :metabolon Institut der TH Köln.
Zusammen mit Trinkwasserversorgern, Herstellern und Forschungsinstitutionen entwarfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Verfahren, das im laufenden Betrieb eingesetzt werden kann und deutlich ressourcenschonender ist. In mehreren Stufen wird die Fließgeschwindigkeit in den Leitungen erhöht und Verschmutzungen lösen sich. Durch rechtzeitiges, langsames und vorausschauendes Spülen wird verhindert, dass die Grenzwerte für die Trübung des Wassers überschritten werden. „In unseren Versuchen konnten wir nachweisen, dass diese Methode bei regelmäßiger Nutzung funktioniert. Das verwendete Wasser ist nicht kritisch verschmutzt und kann im Kreislauf bleiben“, so Wolf.
Sensorpanel mit Plausibilitätsprüfung
Grundlage für eine energieoptimierte Steuerung der Trinkwasseraufbereitungs- und verteilungsanlagen ist eine umfangreiche Datenbasis. Darum wurde im Rahmen von IMProvT ein Multiparameter-Messpanel aufgebaut, das unter anderen den pH-Wert, die Trübung, die Temperatur und den Durchfluss in Trinkwasserversorgungsleitungen erfasst. Installiert an neuralgischen Punkten wie der Wasseraufbereitung oder den Hochbehältern, liefert es Informationen zur Wasserqualität, die bislang nicht online und nicht in hoher Auflösung zur Verfügung standen.
„Unsere Sensoren messen in einem schwierigen Umfeld. Verschmutzungen, das Abdriften der Technik oder Datenübertragungsfehler können fehlerhafte Messwerte erzeugen. Daher haben wir eine Plausibilitätsprüfung basierend auf Methoden der Künstlichen Intelligenz entwickelt“, erläutert Wolf. Meldet einer der Sensoren einen ungewöhnlichen Wert, gleicht die Software diesen mit den Messungen der anderen Sensoren ab und gibt eine Bewertung ab, wie wahrscheinlich es sich um eine reale Veränderung, ein sogenanntes Event, oder um einen Fehler handelt. So wird eine hohe Messdatenqualität sichergestellt, die für eine Erkennung von Events zwingend notwendig ist.
Eventdetektion mit lernenden Algorithmen
Um die Entscheidung zwischen Event und Fehler zuverlässig treffen zu können, entwickelten die Kooperationspartner eine selbstlernende Künstliche Intelligenz. „Damit die Algorithmen Abweichungen vom Normalzustand erkennen können, wird ein statistisches Modell trainiert. Für das Training sind die Daten vieler Störungen und Events erforderlich. Diese kommen aber im realen Trinkwassernetz nur sehr selten vor. Daher haben wir synthetische Daten verwendet“, erläutert Prof. Dr. Thomas Bartz-Beielstein vom Institut für Data Science, Engineering and Analytics der TH Köln.
Mithilfe einer Testanlage im Lehr- und Forschungszentrum :metabolon erzeugten die Forscherinnen und Forscher Störfälle und Sensorprobleme, wie sie auch in den realen Trinkwassernetzen vorkommen. Auf dieser Basis erlernten die Algorithmen, Ausreißer von Events zu unterscheiden. So kann das System jetzt beim Durchspülen der Leitungen aufgrund der gemessenen Trübung automatisch und zuverlässig erkennen, in welchem Maße die Ablagerungen entfernt werden, ob Veränderungen der Wasserqualität auftreten und wie sich diese im Trinkwassernetz fortpflanzen.
Das Forschungsvorhaben IMProvT wurde über drei Jahre vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Projektpartner waren das DVGW-Technologiezentrum Wasser, der Messgerätehersteller Endress + Hauser Conducta, das IWW Zentrum Wasser der Aggerverband, die Thüringer Fernwasserversorgung, die Landesversorgung Stuttgart sowie der Zweckverband Wasserversorgung Kleine Kinzig sowie die TH Köln mit dem Institut für Data Science, Engineering and Analytics und dem :metabolon Institut.
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