Die Sturzflut-Ereignisse der letzten Monate und Jahre zeigen: Es kann jede Kommune treffen. Ereignisse wie in Berlin, Goslar und Münster werden verursacht durch länger anhaltende, intensivere und damit seltenere Niederschläge als solche, die der Kanalbemessung zugrunde liegen. Die Städte sind meist unvorbereitet, obwohl Klimaforscher bereits seit Längerem vor der Zunahme von extremen Unwettern warnen.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) zieht im Dezember 2016 eine Bilanz der Schäden, die durch Starkregenereignisse in den letzten Jahren gemeldet wurden (GDV 2016).
Kanalnetzplanung stößt an Grenzen
Häufig versuchen Kommunen künftige Schäden zu verhindern, indem sie Abwasserkanäle und ‑bauwerke überprüfen und noch größer dimensionieren. Doch das ist aus folgenden Gründen nicht das Mittel der Wahl:
1) Ein nach den aktuellen Normen, Bestimmungen und Genehmigungskriterien geplantes und gebautes Kanalnetz ist definitiv nicht in der Lage, solche Wassermengen abzuleiten.
2) Abflüsse entstehen bei einem Starkregen direkt auf allen befestigten Flächen und vor allem auf gesättigten Böden. Das führt dazu, dass ein großer Teil des abfließenden Wassers Schaden anrichten kann, bevor es überhaupt in die Nähe der Kanalisation gelangt.
3) Die Kanalnetze sind vielerorts bereits baulich an ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Eine Vergrößerung der Querschnitte und Rückhalteräume ginge mit hohen Kosten und großem Flächenverbrauch einher.
Konsequenterweise können Kanalnetzmodelle nur ein Teil der Modellumgebung sein, mit der sich Maßnahmen zur Vorsorge vor urbanen Sturzfluten konzipieren lassen.
GIS-Analyse der Topografie
Einen Eindruck von den Gebietseigenschaften vermitteln topografische Analysen des digitalen Geländemodells (DGM) hinsichtlich der folgenden Aspekte:
- Hangneigung und Schummerung
- Potenzielle Fließwege
- Ermittlung von Senken und Mulden und Abgleich mit Kanalnetz-Überstau-Berechnungen.
Daraus lassen sich erste wichtige Erkenntnisse über gefährdete Bereiche im Einzugsgebiet gewinnen. Diese sind jedoch durch eine 2D-hydraulische Berechnung noch zu untermauern und zu quantifizieren.
Hydraulische 2D-Simulation
Eine hydraulische 2D-Modellierung der auf der Geländeoberfläche abfließenden Niederschläge z. B. mit dem Programm HYDRO_AS-2D kann die dynamischen Fließvorgänge sehr genau abbilden. Durch die vollständige Lösung der numerischen Gleichungen berechnet es zuverlässig die auftretenden Überflutungstiefen und ‑geschwindigkeiten. Daraus lassen sich belastbare Informationen für die Vorsorge und die Maßnahmenplanung gewinnen.
Die Niederschlagsbelastung im Modell erfolgt mit zeitlich verteilten vorher berechneten Effektivniederschlägen, die in Abhängigkeit von der Flächennutzung aus KOSTRA-Starkregendaten abgeleitet werden.
Überstau im Kanalnetz wird bei der 2D-Modellierung durch eine Kopplung an eine Kanalnetzsimulation berücksichtigt. Mit ihr werden die Schächte ermittelt, an denen bei Starkregenereignissen Wasser austritt, und welche Überlaufmengen zu erwarten sind. Die daraus resultierenden Zeitreihen gehen als Quellen in das 2D-Modell ein.
Detaillierte 2D-Simulation besonders gefährdeter Bereiche
Mit dem Feinmodell lassen sich die Fließwege in besonders stark betroffenen Bereichen detailliert nachrechnen. So erhält man weitere wichtige Erkenntnisse zur lokalen Gefährdung.
Auch die Niederschlagsbelastung erfolgt im Feinmodell differenzierter als im 2D-Screening-Modell, indem es die Effektivniederschläge abhängig von der Landnutzung und den Haltungsflächen berechnet.
Starkregengefahrenkarte
Ein wichtiges Werkzeug ist die kommunale Starkregengefahrenkarte. Sie basiert auf 2D-Modellierungen und kann für drei Oberflächenabflussszenarien die Überflutungsausdehnungen, ‑tiefen und die Fließgeschwindigkeiten darstellen.
Damit sind Kommunen in der Lage, eine Risikoanalyse durchzuführen und ein Handlungskonzept zu entwickeln. Es bindet alle Akteure und Betroffenen ein und berücksichtigt sensible Einrichtungen wie Kindergärten, Seniorenheime etc. Die darin festgelegten Maßnahmen tragen wesentlich dazu bei, zukünftig Schäden durch Starkregen zu verringern.
Weiterhin können für Fachbereiche wie Stadtplanung, Stadtentwässerung und Katastrophenschutz sowie für die Öffentlichkeit aus ihnen spezielle Informationen abgeleitet und zur Verfügung gestellt werden. Bürgern ist es dadurch möglich, gezielt private Vorsorge zu treffen durch Objektschutz oder Änderung der Gebäudenutzung.
Förderung durch die Bundesländer
In Baden Württemberg hat die Landesregierung den Handlungsbedarf erkannt. Der von ihr herausgegebene Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg“ (LUBW 2016) stellt den Kommunen ein einheitliches Verfahren zur Verfügung, um Gefahren und Risiken zu analysieren und kommunale Handlungskonzepte zu entwickeln.
Städte und Gemeinden erhalten für die Starkregenvorsorge vom Land eine Förderung von 70 % auf die zu vergebenden Leistungen, wenn die Vorgaben des Leitfadens berücksichtigt werden.
Weitere Bundesländer wie z. B. Nordrhein-Westfalen verfolgen parallel ähnliche Ansätze.