Lange Zeit schien Deutschland von den großen Wasserkrisen der Welt verschont zu sein. Doch der Klimawandel ändert das. Die globale Erwärmung zeigt ihre Wirkung nun auch verstärkt in unseren Breitengraden. Für den Klima- und Wasserforscher Prof. Dr. Harald Kunstmann von der Universität Augsburg ist dabei gerade die rasante Geschwindigkeit dieser Veränderungen entscheidend. Über die Bedeutung des Wassers, das globale Problem und regionale Lösungen spricht er im Interview zum Internationalen Tag des Wassers am 22. März 2025.
Der Klimawandel ist ein drängendes Thema. Können Sie uns genauer erläutern, wie er den globalen Wasserhaushalt und damit auch die Wasserressourcen beeinflusst?
Kunstmann: Der Klimawandel wirkt sich auf den gesamten Wasser- und Energiehaushalt der Erde aus. Diese beiden Systeme sind physikalisch eng miteinander verbunden. Wenn sich die Zusammensetzung der Atmosphäre durch Treibhausgase verändert, beeinflusst das gleichzeitig den Energiehaushalt. Dies führt zu Veränderungen im Wasserkreislauf, wie zum Beispiel bei Niederschlagsmustern und ‑intensitäten und damit zu Veränderungen der Wasserverfügbarkeit. Wir beobachten, dass sich statistische Zusammenhänge, die wir über Jahrzehnte kannten, verändern.
Können Sie Beispiele für diese Entwicklungen nennen?
Kunstmann: Wir sehen eine Zunahme von Extremereignissen an beiden Enden des Spektrums: Sowohl zu viel als auch zu wenig Wasser. Das bedeutet, dass einerseits Dürreperioden und andererseits auch Starkregenereignisse häufiger und intensiver werden. Diese Veränderungen haben weitreichende Folgen weltweit.
Die Mittelmeer-Region zum Beispiel wird voraussichtlich trockener werden. Und in West-Afrika berichten Forschende und Wetterdienste bereits heute von mehr als 70 Tagen im Jahr mit einer Temperatur über 40 Grad, konkret hier in der Provinzhauptstadt Maidiguri in Nigeria. Diese Temperaturen sind bereits an einem gefährlichen biologischen Limit, Enzyme und Proteine denaturieren und neurologische Störungen treten auf.
Küstenregionen werden mit einem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen haben, der durch das wärmere Wasser aber auch schmelzende Eismassen verursacht wird.
Wir sehen auch in den Alpen, wie die Gletscher schmelzen. Das hat Auswirkungen auf die Ökosysteme und letztlich bis hin zum Tourismus. Wasser ist für viele Bereiche zentral, daher haben extreme Wetterereignisse Auswirkungen an vielen Stellen – das macht es bedeutsam.
Welche Rolle spielt Wasser für uns Menschen in diesem Kontext?
Kunstmann: Wasser ist eine lebenswichtige Ressource, die für alle Bereiche unseres Lebens von zentraler Bedeutung ist. Es beeinflusst unsere Ernährung, unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft und unsere Umwelt. Daher sind die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt bedeutend.
Wie sehen diese Folgen in Regionen wie Bayern oder Deutschland konkret aus?
Kunstmann: Deutschland, und insbesondere Bayern, galten lange Zeit als Regionen mit ausreichenden Wasserressourcen. Doch auch hier werden die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher sichtbar. Selbst im wasserreichen Süden von Bayern erleben wir mittlerweile häufigere und intensivere Dürreperioden, die zu neuen Herausforderungen in der Land‑, Forst- und Energiewirtschaft führen. Gleichzeitig nehmen Starkregenereignisse zu, die zu häufigeren Überschwemmungen und bedeutenden Schäden an Infrastruktur führen können. Und das eben auch in Regionen, die bisher noch nicht betroffen waren.
Welche Maßnahmen sind notwendig, um unsere Wasserressourcen an den Klimawandel anzupassen?
Kunstmann: Wir sind nicht machtlos! Handlungsbedarf besteht auf verschiedenen Ebenen. Zunächst müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, um den Klimawandel grundsätzlich einzudämmen – denn das ist die treibende Kraft der Veränderungen. Gleichzeitig müssen wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen. Hier kommt es zum Beispiel darauf an, wie wir unsere Böden gestalten, damit wir uns und die Natur vor Hitzewellen, Trockenheit, Hochwasser und Starkregen besser schützen können. Dabei ist es wichtig, diese Herausforderungen gemeinsam und nicht isoliert voneinander zu betrachten.
Das ist nicht trivial, da unterschiedlichste Akteur:innen berücksichtigt werden müssen, die zusammen agieren müssen: Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Hochwasserschutz und Städteplanung.
Eine weitere Herausforderung ist: Auch wenn Strategien und Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene entwickelt werden, die Umsetzung findet aber auf kommunaler Ebene statt und muss auch hier abgestimmt und finanziert sein.
Können Sie konkrete Maßnahmen nennen?
Kunstmann: Um den fallenden Grundwasserständen in vielen Regionen Bayerns entgegenzuwirken, müssen wir zum Beispiel mehr Wasser in den Boden bringen, die Versickerung verbessern und den Wasserhaushalt in der Fläche optimieren. Das betrifft die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie unsere Städte. Wir brauchen einen besseren Hochwasserschutz, letztlich auch durch Polder für extreme Ereignisse. In den Städten müssen wir mehr Wasser für die Kühlung zur Verfügung haben, um Hitzeextreme abzumildern. Und wir müssen unsere Grundwasserressourcen besser schützen und noch umsichtiger mit ihnen umgehen.
Sie betonen die Bedeutung regionaler Lösungen. Können diese auch global wirken?
Kunstmann: Regionale Lösungen können als Vorbilder für andere Regionen dienen. Gerade im Wasserbereich sind wir seit jeher gefordert, interdisziplinär zu arbeiten. Hier müssen wir die Wissenschaft mit den Akteur:innen vor Ort verbinden, um innovative Ansätze zu entwickeln.
Welche Rolle spielt die Wissenschaft in diesem Prozess?
Kunstmann: Die Wissenschaft spielt eine entscheidende Rolle. Wir entwickeln Beobachtungs- und Modellierungstechniken, wie zum Beispiel Bodenfeuchtemessungen, komplexe Erdsystemmodelle und mittlerweile auch Methoden der Künstlichen Intelligenz, um den Wasserhaushalt quantitativ besser zu verstehen und schließlich bessere Vorhersagen zu treffen. Der Tag der Hydrologie, den wir dieses Jahr an der Universität Augsburg organisiert und diese Woche veranstaltet haben, ist im deutschsprachigen Raum eines der wichtigsten Foren für den Austausch zwischen Wissenschaft, Behörden, Firmen und Ingenieurbüros. Nur gemeinsam können wir die Ressource Wasser besser schützen.