Anfang Oktober fiel der Startschuss für das vom Bundesumweltministerium aus der »Exportinitiative Umwelttechnologien« geförderte Projekt »Smart Water Future India«. Ziel des vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB koordinierten Projekts ist es, ein Konzept für das intelligente Wassermanagement der südindischen Millionenstadt Coimbatore zu erarbeiten. Dabei sollen auch Wege aufgezeigt werden, wie die boomenden Metropolen Indiens mithilfe deutscher Wasser- und Abwassertechnologien unterstützt werden können.
Die Wirtschaft Indiens boomt. Damit zieht es die Menschen des großteils noch ländlich geprägten Schwellenlands vermehrt in die wirtschaftlich bedeutsamen Ballungsgebiete. Während 2016 noch rund ein Drittel der 1,31 Milliarden Menschen Indiens in Städten lebte, wird die Stadtbevölkerung bis 2050 um weitere 400 Millionen Menschen wachsen, wie die Vereinten Nationen prognostizieren. Doch der Ausbau der städtischen Infrastruktur im Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Erde hält schon jetzt kaum Schritt mit der rasanten Urbanisierung. Es mangelt an Wohnraum, der öffentliche Nahverkehr ist zu Stoßzeiten hoffnungslos überlastet, das städtische Stromnetz bricht unter der hohen Nachfrage immer häufiger zusammen.
Darüber hinaus sind es vor allem die Wasserversorgung und Abfall- und Abwasserentsorgung, die Indiens Metropolen zu schaffen machen: Vielerorts ist die Versorgung mit Trinkwasser auf ein paar Stunden pro Tag beschränkt, viele Stadtviertel sind noch gar nicht an die Wasserversorgung angeschlossen. Ebenso fehlen in vielen städtischen Gebieten Abwasserkanalisation und Kläranlagen. Abwässer werden daher unbehandelt in Flüsse und Seen eingeleitet, die gleichzeitig Trinkwasser für die kommunale Wasserversorgung liefern.
Mit intelligenten Konzepten zum Water Innovation Hub
Intelligente Lösungen, um die sich rasant entwickelnden Städte lebenswerter, effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten, will das vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB koordinierte Projekt »Smart Water Future India« erarbeiten, das seit Anfang Oktober vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BUMB) gefördert wird. Am Beispiel der südindischen Millionenstadt Coimbatore, Verkehrsknotenpunkt im Bundesstaat Tamil Nadu, soll ein Konzept für das nachhaltige Wassermanagement einer intelligent vernetzten Stadt entwickelt werden.
Der Kern des neuen Ansatzes liegt darin, die Herausforderungen bei der Stadtentwicklung nicht getrennt nach den herkömmlichen Sektoren zu betrachten. »Vielmehr sollen im Sinne des Nexus Wasser-Energie-Ernährungssicherheit Lösungen für Wasserversor-gung, Energieversorgung und Ernährungssicherheit übergreifend entwickelt und intelligent vernetzt werden, um die Konkurrenz um Ressourcen zu vermindern«, erklärt Dr. Marius Mohr, Wasserexperte am Fraunhofer IGB und Koordinator des Projekts. Für die Bedarfsanalyse lehnt sich das Projekt an die im Rahmen der Fraunhofer-Initiative Morgenstadt entwickelte Methodik des »Morgenstadt City Lab« an, die Mohr bereits in der georgischen Hauptstadt Tiflis erfolgreich angewandt hat.
Konkrete Handlungsempfehlungen sollen den städtischen Entscheidern aufzeigen, wie sie die Situation in Wasserversorgung und Abwasserentsorgung nachhaltig verbessern können. Von den Maßnahmen profitiert schließlich auch die Umwelt – durch reduzierten Verbrauch von Ressourcen und die Entlastung von Grundwasser und Oberflächengewässern.
Gleichzeitig kann das Projekt deutschen Unternehmen der Wasserbranche den Zugang zum gewaltigen indischen Markt der Wasser- und Abwasserwirtschaft erleichtern. Obschon die Studie ergebnisoffen erfolgt und sich allein am Bedarf in Indien orientiert, ist es das Ziel, mit dem Projekt die Weichen für langfristige Partnerschaften deutscher Firmen mit der indischen Wasserbranche zu stellen – auch über das Ende des Vorhabens hinaus. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen der deutschen Wasserbranche können so von dem Netzwerk profitieren, das in Coimbatore einen »Water Innovation Hub« etablieren soll.
Coimbatore – Smart City in Südindien
Mit 1,7 Mio Einwohnern auf 257 Quadratkilometern ist Coimbatore eine der über 50 typischen von der Industrie geprägten Millionenstädte Indiens. In Coimbatore gibt es aktuell etwa 50 000 Haushalte, die nicht an die Wasserinfrastruktur und Stromversorgung angeschlossen sind. Schätzungen zufolge wird die Bevölkerung der südindischen Stadt in den kommenden 30 Jahren um eine weitere Million Menschen wachsen. Die Sicherung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist eines der dringendsten Probleme: Auch hier kann die Wasserversorgung nur für ein paar Stunden am Tag aufrecht erhalten werden. Nicht einmal 40 Prozent des Abwassers werden über ein zentrales Kanalisationssystem abgeleitet. Coimbatore ist eine der drei von Deutschland unterstützten »Smart Cities« in Indien (siehe Infokasten).
Projektpartner und Förderung
Das Projekt »Smart Water Future India« wird von Oktober 2017 bis März 2019 im Rahmen der »Exportinitiative Umwelttechnologien« des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert. Projektpartner neben dem Fraunhofer IGB sind das Stuttgarter Beratungs- und Planungsunternehmen Drees & Sommer Advanced Building Technologies GmbH, das ISOE — Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main und die Kölner trAIDe GmbH – Partner für die internationale Geschäftsanbahnung.
»100 Smart Cities« und deutsch-indische Zusammenarbeit
Mit dem 2015 ins Leben gerufenen Smart-City-Programm fördert die indische Regierung 100 Städte. Durch neue Technologien und Investitionen in eine durchgehende Wasser- und Stromversorgung, einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr und bessere Bildungsangebote sollen effiziente, nachhaltige und lebenswerte urbane Räume entstehen.
Im Rahmen der deutsch-indischen Zusammenarbeit unterstützt Deutschland drei dieser indischen Städte, darunter Coimbatore, bei der Umsetzung ihrer Smart-City-Pläne. Ziel der Stadt Coimbatore ist es, bis 2045 alles Abwasser zu sammeln und zu reinigen. Dabei soll 70 Prozent des Wassers wiederverwendet werden und auch Regenwasser genutzt werden.