Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat den Entwurf des Merkblatts DWA‑M 524 „Hydraulische Berechnung von Fließgewässern mit Vegetation“ vorgelegt, der hiermit zur öffentlichen Diskussion gestellt wird.
Intention für die Erstellung des vorliegenden Merkblatts war die Fortschreibung und Aktualisierung des DVWK-Merkblatts 220/1991 „Hydraulische Berechnung von Fließgewässern“. Wesentliche Inhalte dieses Merkblatts sind 1D-Betrachtungen. Da diese 1D-Betrachtungen nach wie vor ihre Gültigkeit besitzen, wurden sie nicht in dieses Merkblatt aufgenommen. Stattdessen wurde das DVWK-Merkblatt 220/1991 mit dem Aktualitäts-Prüfsiegel 2016 versehen und damit für die weitere Anwendung empfohlen. Das vorliegende Merkblatt konzentriert sich auf neuere Ansätze, die sich intensiver mit den Pflanzeneigenschaften auseinandersetzen und diese in den Widerstandsbeziehungen berücksichtigen sowie in mehrdimensionale Strömungsmodelle implementiert werden können. Es sind Ansätze, die in den letzten zwei Jahrzehnten insbesondere in internationalen Zeitschriften vorgestellt wurden und jetzt nach und nach in der Praxis Anwendung finden.
Der busch- und baumartige Ufer- und Vorlandbewuchs gewinnt hinsichtlich der Erreichung des guten ökologischen Zustands unserer Fließgewässer zunehmend an Bedeutung. Auch die Dimensionierung von Flussdeichen, die Unterhaltung und das Management der Vorländer sowie bauliche Eingriffe zur naturnahen Umgestaltung unserer Flussauen setzen voraus, dass die hydraulischen Verhältnisse für den Ist- und Planungszustand möglichst genau berechnet werden.
Ingenieurtechnisch betrachtet ist die Strömung in Gebieten, welche mit Pflanzen bewachsen sind, außerordentlich komplex. Dennoch müssen Ingenieure und Ingenieurinnen im Zuge moderner Planungen die Auswirkungen dieser Faktoren unter anderem auf den Wasserstand quantitativ beurteilen. Hierzu stehen weit entwickelte hydrodynamisch-numerische Verfahren zur Verfügung. Bereits heute zählen 2D-hydrodynamisch-numerische Verfahren zum Standard zahlreicher Büros, wobei die meisten Verfahren mit rein empirischen Ansätzen für die Sohlenrauheit und den Pflanzenwiderstand angewandt werden. Neuere Ansätze zur Berechnung der Fließgewässer mit Vegetation sind noch nicht implementiert.
Aus diesem Grund hatte sich die Arbeitsgruppe folgende Aufgaben gestellt:
- einen möglichst umfassenden Überblick über die vorhandenen praxisrelevanten, theoretisch fundierten Ansätze zur Bestimmung der Sohlenrauheiten und Pflanzenwiderstände naturnaher Fließgewässer zu geben
- die Ansätze derart aufzubereiten, dass sie ohne große Schwierigkeiten in die bestehenden hydrodynamisch-numerischen Verfahren implementiert werden können
- die Gültigkeitsgrenzen der einzelnen Ansätze klar herauszustellen und entsprechend aufzubereiten
In Anbetracht der Tatsache, dass die Entwicklung mehrdimensionaler numerischer Programme weiterhin schnell voranschreitet und sowohl national als auch international auf diesem Gebiet zahlreiche Forschungsarbeiten laufen, werden auch Ansätze vorgestellt, die sich noch in der Entwicklung befinden, aber dank neuester Messtechnik gute Aussichten haben, in naher Zukunft praxisrelevante Anwendung zu finden. Dieses betrifft insbesondere Ansätze, die sich mit der Flexibilität von Pflanzen beschäftigen.
Aus hydraulischer Sicht sind für das Widerstandsverhalten der Pflanzen neben den geometrischen Strukturparametern vor allem die biomechanischen Materialeigenschaften von großer Bedeutung. Daher wurde die Einteilung des DVWK-Merkblatts 220/1991 in Klein‑, Mittel- und Großbewuchs aufgegeben. Im vorliegenden Merkblatt wird zwischen einzelnen Bewuchselementen und Bewuchsbestand, starrer und flexibler Vegetation sowie über- und durchströmten Pflanzen unterschieden. Je nach Strömungsgeschwindigkeit kann sich der Bewuchs starr oder flexibel verhalten und durch- oder überströmt sein. Die Charakterisierung der Pflanzen im Sohlen‑, Ufer- und Vorlandbereich ist demnach nur durch Mehrfachzuordnung möglich und hat zu der neuen Einteilung geführt:
- überströmter Bewuchs als Reibungswiderstand
- starrer und flexibler durchströmter Bewuchs
- überströmter Bewuchs als Formwiderstand
Das Merkblatt ist wie folgt strukturiert: Zunächst wird eine übersichtliche Zusammenstellung und Aufbereitung empirischer und turbulenz-theoretischer Ansätze zur Berechnung von Fließwiderständen gegeben. Bei der Aufbereitung wurde besonderes Augenmerk auf die Gültigkeitsgrenzen der einzelnen Ansätze gelegt. Des Weiteren wird detailliert auf die Pflanzen und ihre Eigenschaften eingegangen. Dabei standen die hydraulische Charakterisierung der Pflanzen und die hierfür erforderlichen Parameter im Vordergrund. Weitere Abschnitte beinhalten die Bereitstellung der Berechnungsansätze für die Fließwiderstände der nach der neuen Einteilung klassifizierten/charakterisierten Pflanzen und die Berücksichtigung der verschiedenen Berechnungsformeln zur Ermittlung des Strömungswiderstands in den Grundgleichungen. Im abschließenden Abschnitt werden Hinweise über die Anforderungen an Bewuchsdaten gegeben sowie Methoden zur Datenerhebung vorgestellt.
Bauwerksbedingte Formwiderstände, verursacht durch Brückenpfeiler oder Buhnen, werden nicht betrachtet. Ebenso sind durch den Formwiderstand dominierte Flusssohlen, zum Beispiel in der Gestalt von Riffeln, Dünen, Kolken nicht Gegenstand dieses Merkblatts.
Die DWA-Arbeitsgruppe WW‑3.1 „Hydraulische Berechnung von Fließgewässern mit Vegetation“ (Sprecher Prof. a. D. Dr.-Ing. habil. Andreas Dittrich) im DWA-Fachausschuss WW‑3 „Hydraulik“ des DWA-Hauptausschusses „Wasserbau und Wasserkraft“ (HA WW) wendet sich mit diesem vorliegenden Merkblatt an Anwender und Anwenderinnen in der Verwaltung sowie in Ingenieurbüros, die sich mit naturnahen Umgestaltungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Verbesserung der Abflussleistung von Fließgewässern mit Bewuchs beschäftigen, sowie Entwickler und Entwicklerinnen, deren Interesse in der Aktualisierung und Weiterentwicklung von Strömungsmodellen für natürliche Fließgewässer mit Vegetation besteht.
Frist zur Stellungnahme: Das Merkblatt DWA‑M 524 wird bis zum 28. Februar 2019 öffentlich zur Diskussion gestellt. Hinweise und Anregungen erbittet die DWA schriftlich, möglichst in digitaler Form, an Dipl.-Geogr. Georg Schrenk, schrenk@dwa.de.