Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen (CH) ist bekannt für den imposanten Wasserfall, Davos durch das World economic forum WEF und die Bezeichnung als „höchstgelegene Stadt in Europa“. Jedoch wissen nur Wenige, dass in diesen Energie-Städten immer wieder interessante Wärmeprojekte realisiert werden. Zwei Projekte werden in diesem Bericht speziell beleuchtet. Diese konnten auch dank der Förderung durch die Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation KliK umgesetzt werden, die mit dem Programm Wärmeverbünde die Umstellung, den Bau oder die Erweiterung von Projekten mit erneuerbaren Energiequellen unterstützt.
Abwärme aus Grundwasser
Es gibt eine vielfältige Auswahl an Energiequellen, die für Wärmeverbünde eingesetzt werden können. Selten wird an das Grundwasser, das praktisch zu unseren Füssen liegt, gedacht. In Davos wird seit einiger Zeit mit Wärme aus dem Grundwasser geheizt.
Davos, die Stadt in den Bergen
Davos hat viele Gesichter: nebst dem Weltwirtschaftsforum WEF, seiner Bergwelt und seiner Erwähnung im Roman, „Zauberberg“ des deutschen Schriftstellers Thomas Mann, ist Davos auch bekannt für seinen altbewährten Spengler Cup, das älteste internationale Eishockey-Mannschaftsturnier, um nur einige Attribute zu nennen.
Die Kleinstadt liegt auf 1.560 m ü. Meer, das Flüelaschwarzhorn als höchster Punkt der Gemeinde sogar auf 3.146 m. ü. Meer. Die mittlere jährliche Lufttemperatur beträgt nur rund 3,5 °C und im Schnitt erreichen rund 1.696 Sonnenstunden die Stadt. Das Klima hat wesentlich dazu beigetragen, dass Davos als Kurort bekannt wurde. Mit knapp 11.000 ständigen Einwohnern beherbergt Davos in der Hochsaison ein Vielfaches an Gästen. Daraus ergeben sich extreme Verbrauchsspitzen, was eine große Herausforderung für jeden Energieversorger sowie Wasserver- und Abwasserentsorger darstellt.
Dieser Aufgabe stellt sich die EWD Elektrizitätswerk Davos AG (EWD AG), das Unternehmen ist verantwortlich für die Stromversorgung der Gemeinde Davos. Im Rahmen der Unternehmerstrategie betreibt die EWD AG verschiedene Wärmeverbünde und einzelne Wärme-Contracting-Anlagen mit klimafreundlicher Wärmeerzeugung. Im Jahr 2016 zeichnete sich das Unternehmen für den ersten Wärmeverbund in Davos verantwortlich, der nun nach und nach erweitert wird.
Ja zur Geothermie
Den Grundsatzentscheid fällte die Gemeinde im Jahr 2009. Die fünfköpfige Exekutive (Kleiner Landrat) befürwortete eine Nutzung der Geothermie auf Gemeindegebiet. Sie setzt mit ihrer energiepolitischen Strategie auf eine verstärkte Förderung und Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien sowie auf eine kontinuierliche Erhöhung der Energieeffizienz. Ein wichtiger Teil dieser Strategie ist die verstärkte Nutzung der Geothermie. Um die Möglichkeiten dieser Nutzung der mitteltiefen Geothermie abzuklären, hat die Gemeinde in den letzten 10 Jahren umfangreiche Untersuchungen und Erkundungsbohrungen durchführen lassen und rund 500.000 CHF investiert. Ungefähr denselben Betrag steuerten der Kanton Graubünden und das Bundesamt für Energie BFE bei, welche das geothermische Pilotprojekt unterstützten. Aufgrund dieser sehr soliden Wissensbasis konnte ein Nachweis der Nutzbarkeit von mitteltiefen hydrothermalen Projekten geliefert werden und diente als Grundlage für eine nachhaltige Bewirtschaftung und Bewilligungspraxis.
Im aktuellen Projekt führt das Bohrloch hinunter in den Aroser Dolomit, eine Schicht aus Kalkgestein, die Wasser speichert. Das Wasser ist artesisch gespannt, d. h. es schiesst größtenteils ohne Zutun an die Erdoberfläche. Durch die geringe Bohrtiefe von rund 450 m kann diese erneuerbare Abwärmequelle relativ kostengünstig erschlossen werden.
Das für das Heizen benötigte Grundwasser wird mit einer Temperatur von ungefähr 9 – 10 °C gefasst, wobei die konzessionierte Entnahmemenge bei 1.400 l/min liegt. Die Wärmeübertragung geschieht in der 50 m entfernen, bereits bestehenden, aber umgebauten Heizzentrale eines Oberstufenschulhauses. Mittels Wärmepumpen wird der Kreislauf auf eine nutzbare Temperatur gebracht. Der Leistungsentzug aus dem Grundwasser beträgt dabei etwa 550 kW. Die angeschlossenen Wärmekunden werden mittels eines warmen Nahwärmenetzes bedient und sind sehr heterogen. Neben den zwei Schulen inkl. Dreifachturnhalle, werden diverse Mehrfamilienhäuser (Mietwohnungen oder Stockwerkeigentümerschaften) mit erneuerbarer Wärme beliefert, ebenso gehören Hotels sowie ein Neubau der Graubündner Kantonalbank zu den Wärmebezügern.
Finanzierung
Im Endausbau, mit einem Kostenpunkt von 7 Mio. CHF, wird im besten Fall eine Wärmemenge von rund 8 Mio. kWh pro Jahr geliefert. Durch das Wärmenetz werden bestehende, dezentrale Ölheizungen und Elektroheizungen ersetzt. Bis zum Jahr 2030 können voraussichtlich im Vollausbau 11.000 Tonnen CO2-Emissionen reduziert werden. In diesem Fall können die angeschlossenen Wärmekunden anteilmäßig mit einem Förderbeitrag zugunsten Ihrer Heizkostenrechnung von jährlich 110.000 CHF profitieren (bis 2030).
Abwärme aus Abwasser
Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen, ganz im Norden der Schweiz, ist vor allem bekannt für ein Ausflugsziel: den Rheinfall. Auf einer Breite von 150 m stürzen gewaltige Wassermassen rund 23 m die Felsen hinunter und höhlten im Laufe der Zeit im Becken ein Kolk von 17 m Tiefe aus. Die durchschnittliche Abflussmenge im Winter beträgt 250 m³/s, 600 m³/s im Sommer. Die größte gemessene Wassermasse – im Pfingsthochwasser 1999 – betrug stattliche 1.360 m³ pro Sekunde. Vielen ist nicht bewusst, dass oberhalb dieses Naturspektakels die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Röti liegt und das Abwasser von etwa 56.000 Einwohnenden aus den umliegenden Gemeinden klärt.
Von der Idee zur Umsetzung
Der Energieverbund Neuhausen am Rheinfall EVNH (www.evnh.ch) wurde durch das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen AG (EKS) entwickelt. Bereits um die Jahrtausendwende wurden Projekte zur Abwasserwärmenutzung in der Nachbarstadt Schaffhausen auch umgesetzt, u. a. im Jahr 2005 mit Abwärme aus einem großen Sammel-Abwasserkanal, die die bekannte Uhrenmanufaktur International Watch Company IWC mit Wärme versorgt. 2014 ließ die SIG gemeinnützige Stiftung für das in der Nähe der ARA befindliche Industriegebiet in Neuhausen eine Gesamtplanung erstellen mit dem Ziel, auf dem etwa 120.000 m² großen, zum Teil nicht mehr genutzten, Industrieareal eine ausgewogene Mischung aus Wohnen, Arbeit, Bildungs- und Freizeitangebot zu schaffen. Ein wichtiger Meilenstein dieser Planung war die Ablösung der fossilen Energieträger durch erneuerbare Wärme, der durch die EKS konzeptioniert wurde. Im Rahmen dieser Abklärung war den Beteiligten schnell klar, dass die sinnvollste Lösung weit über das Areal hinausgedacht werden musste. So entstand ein Gesamtenergiekonzept, das bestehende Synergien nutzt. Wie zum Beispiel ein bereits vorhandener, älterer, Wärmeverbund in der Gemeinde oder die Möglichkeit, im ehemaligen Industrieareal die Heizzentrale zu installieren. Dabei konnte auf die Unterstützung des Gemeinderats gezählt werden und nach einer Volksabstimmung war klar, dass der ältere Wärmeverbund in Neuhausen am Rheinfall in den neuen Energieverbund integriert und das neue Wärmenetz nach und nach erweitert werden sollte, damit weite Teile der Gemeinde mit erneuerbarer Abwärme beliefert werden. So entstand für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation und auf Kantonsgebiet wurde das bisher größte Energieprojekt realisiert, über das sogar das Schweizer Fernsehen berichtete.
Verschiedene Abwärmequellen werden genutzt
Mittels Tauchmotorpumpen wird das gereinigte Abwasser aus dem Ablaufbauwerk der ARA mit max. 760 m3/h entnommen, was 70 % der Gesamtabflussmenge bei Trockenwetter entspricht. Diese Abwassermenge wird zur Zentrale mit den externen Wärmetauschern geführt, welche ebenfalls auf dem Gelände der ARA platziert ist. Die Free-Flow-Plattenwärmetauscher der Firma Hauser Automatic AG mit niedrigem Strömungswiderstand übertragen die Abwärme auf den Zwischenkreislauf. Dabei wird das gereinigte Klärwasser um bis zu 5 Kelvin abgekühlt, zurück ins Ablaufbauwerk geleitet um anschließend wenige 100 m oberhalb der Fälle in den Rhein zu gelangen. Die aus dem Abwasser gewonnene Wärme wird auf dem ursprünglichen Temperaturniveau — je nach Saison von 10 – 25 °C — anschließend mit kalter Fernwärme zur Energiezentrale auf dem nahen Areal der ehemaligen Schweizerischen Industrie-Gesellschaft SIG geleitet.
Im „Kesselhaus“ bringen aktuell zwei, bald sogar drei, hocheffiziente Wärmepumpen mit einer Wärmeleistung von je 1.500 kW das Wasser auf ein nutzbares Temperaturniveau. Zudem wird Abwärme aus Druckluftkompressoren über den Zwischenkreislauf den Wärmepumpen zugeführt. Als wichtiges „Nebenprodukt“ fallen auch 0,7 Mio. kWh/a Kälte an, die ebenfalls ins Versorgungsgebiet an Kunden mit Kältebedarf geliefert wird. Um die Spitzenlast abzudecken, stehen Erdgaskessel zur Verfügung. Durch das Konzept mit mehreren redundanten Energieerzeugern kann eine zuverlässige Wärme- und Kälteversorgung gewährleistet werden. Im Endausbau wird der Energieverbund jährlich bis rund 33 Mio. kWh Wärme und 0.7 Mio. kWh Kälte liefern, was dem Bedarf von rund einem Drittel der Bevölkerung der Gemeinde Neuhausen am Rheinfall entspricht.
Für den Gewässerschutz ist gesorgt
Dank dem Einsatz von Wärmetauschern wird dem Abwasser Wärme entzogen und gelangt nicht in den Rhein. Der Abschnitt des Rheins um Neuhausen am Rheinfall zählt zu den letzten verbliebenen Äschenregionen, denn der markante Fluss ist auf diesem kleinen Teilstück seines langen Weges mitten durch Europa noch frei fließend und weist durchlüftete Kiesbänke auf, die zentral sind für die Fortpflanzung der Äsche (Thymallus thymallus). Diese Fischart ist, wie andere Kaltwasserfische, insbesondere im adulten Stadium, sensibel gegenüber hohen Wassertemperaturen und einem damit verbunden niedrigeren Sauerstoffgehalt im Wasser. Die Wärmeentnahme und die damit verbundene Abkühlung des Abwassers der Kläranlage ist deshalb auch für den Fisch- als auch generell für den Gewässerschutz von Nutzen.
Fazit
Um von den fossilen Energieträgern wie und Öl und Gas loszukommen und dem Bekenntnis der Schweiz für den Klimaschutz mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens zu folgen, bedarf es noch großer Anstrengungen, insbesondere im Bereich Wärme. Da soll jede vorhandene erneuerbare Wärmequelle geprüft und wo sinnvoll, technisch machbar und finanziell tragbar, umgesetzt werden. Häufig wird vorgebracht, dass erneuerbare Wärme höhere Kosten verursachen.
Im letzten Jahr erschien das Merkblatt der DWA M114 zum Thema Abwasserwärmenutzung. Die Autoren*innen haben die Kosten bezogen auf Deutschland geschätzt. Sie stellten fest, dass sich Abwasserwärmenutzungsanlagen im Vergleich zu konventionellen Anlagen durchaus im konkurrenzfähigen Bereich bewegen. Sollte das nicht der Fall sein, besteht in der Schweiz die Möglichkeit, Fördergelder bei der Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation KliK zu beantragen. Im Falle des Projekts in Davos, das durch die Stiftung KliK finanziell unterstützt wird, kann bis 2030 von einem Förderbeitrag von ca. 1 Million CHF ausgegangen werden, je nach gelieferter Wärmemenge.