Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat das zweiteilige Merkblatt DWA‑M 626–1 „Neobiota – Auswirkungen und Umgang mit wasserwirtschaftlich bedeutsamen gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten – Teil 1: Grundlagen“ und „Teil 2: Artensteckbriefe“ veröffentlicht.
Das vorliegende Merkblatt fasst den aktuellen Stand des Wissens zu den wasserwirtschaftlich bedeutsamen Neobiota zusammen. Neobiota sind gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten – Neozoen und Neophyten –, die nach der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 nach Deutschland eingebracht worden sind. Dass diese Neozoen und Neophyten hierher gelangen konnten, ist ausschließlich auf menschliches Zutun zurückzuführen. So sind Arten zum Beispiel infolge von Handel oder Transport beabsichtigt oder unbeabsichtigt nach Deutschland gelangt. Die Einführung von Arten aus anderen Regionen der Erde ist zwar kein neues Phänomen, aber die Geschwindigkeit der Einbringung durch das direkte oder indirekte Mitwirken des Menschen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Und auch in der Zukunft wird die Anzahl neobiotischer Arten in immer kürzeren Zeiträumen weiter steigen. Zwar können sich nur wenige dieser Neobiota hier dauerhaft etablieren, aber einige von ihnen sind in der Lage, Massenpopulationen mit entsprechenden negativen Auswirkungen auszubilden.
Auch unter den aquatischen bzw. semiaquatischen Neobiota finden sich eine Reihe etablierter invasiver Arten. Die „wasserwirtschaftlich bedeutsamen“ Neophyten und Neozoen von Fließgewässern und Seen sowie deren Uferbereiche haben einen negativen Einfluss auf die wasserwirtschaftliche Nutzung und deren Anlagen inkl. Gewässerunterhaltung, die Bewertung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials gemäß Europäischer Wasserrahmenrichtlinie, die Biodiversität der heimischen Flora und Fauna sowie die natürlichen Ökosysteme, die menschliche Gesundheit oder die Erholungs- und Freizeitnutzung in und an den Gewässern. Dies kann aktuell oder künftig direkte oder indirekte Maßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung der invasiven neobiotischen Arten erforderlich machen.
Teil 1 des Merkblatts gibt einen Überblick über die Thematik Neobiota anhand von Definitionen und eine Einführung in die rechtlichen Grundlagen sowie die grundsätzlich möglichen negativen Auswirkungen der wasserwirtschaftlich bedeutsamen Neobiota. Die Vektoren der Ersteinbringung und weiteren Ausbreitung der als wasserwirtschaftlich bedeutsam identifizierten Neophyten und Neozoen werden ausführlich beschrieben. Das Wissen um die Vektoren ist für das Management dieser Arten von besonderer Bedeutung, da nachhaltige Maßnahmen letztendlich immer auf ein Unterbrechen dieser Einbringungs- und Ausbreitungspfade abzielen sollten. Prävention und Vorsorge zur Verhinderung der Einführung und Etablierung von Neobiota ist die effektivste Maßnahme, gefolgt von Früherkennung und Sofortmaßnahmen, mit der neu auftretende oder nur kleinräumig verbreitete Arten mit relativ geringem Ressourcenaufwand vollständig beseitigt werden können. Daneben werden aber auch beispielhaft (lokale) Maßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten beschrieben. Eine wichtige Rolle bei allen Managementmaßnahmen kommt dem Einbeziehen der Öffentlichkeit zu, indem zum Beispiel über die negativen Folgen des Aussetzens unliebsam gewordener gebietsfremder Haustiere informiert wird. Wertvoll sind auch Meldungen zu Vorkommen neobiotischer Arten durch die Bevölkerung und deren Unterstützung bei der Bekämpfung dieser Arten.
Der anwendungsorientierte Teil 2 des Merkblatts stellt 44 ausgewählte Neobiota der rund 80 als „wasserwirtschaftlich bedeutsam“ identifizierten Tier- und Pflanzenarten in 25 Steckbriefen vor. Die zweiseitigen Steckbriefe umfassen Artbeschreibungen mit Hinweisen zur Bestimmung und Verwechslung mit heimischen Arten und beschreiben die Standortansprüche der neobiotischen Arten an ihren Lebensraum. Es wird auch dargestellt, woher die Art ursprünglich stammt, wann und wie sie nach Deutschland gelangt ist, auf welchem Weg sie sich ausbreitet und welche relevanten negativen Auswirkungen mit der jeweiligen Art verbunden sind. Die Steckbriefe geben Auskunft insbesondere zu in der Praxis erprobten artspezifischen Maßnahmen der Prävention und Bekämpfung inkl. Materialbeseitigung.
Das Merkblatt richtet sich u. a. an Fachleute in Ländern, Kommunen und Verbänden, die für Unterhaltung und Entwicklung von Fließgewässern und Seen verantwortlich oder in wasserwirtschaftlichen Dienststellen, Naturschutzbehörden, Ingenieurbüros und Aufsichtsbehörden damit befasst sind. Darüber hinaus sollen auch Studierende, Naturschutzbeauftragte und andere interessierte Bürger angesprochen werden, um ihr Interesse an dieser besonderen Thematik zu wecken.