Die Attraktivität der Abwasserbranche für Nachwuchs und Fachkräfte scheint auf den ersten Blick schwer vermittelbar, da Abwasser keine begeisternden Assoziationen weckt. Völlig zu Unrecht, wie sich auf dem 14. Ostwestfalen-Lippe-Abwassertag bei Jung Pumpen herausstellte. Die Attraktivität ist da, sie muss nur durch die richtige Kommunikation sichtbar werden. Das gilt für die Branche an sich als auch für die einzelnen Unternehmen – Stichwort Arbeitgebermarke. Fachleute aus Wissenschaft, Recht, Personal- und Steuerwesen sowie aus der Unternehmensberatung erläuterten, mit welchen wirksamen Instrumenten sich dies umsetzen lässt.
Veranstaltungsleiter Marco Koch von Jung Pumpen eröffnete den 14. Ostwestfalen-Lippe-Abwassertag mit einer Geschichte: Ein Spaziergänger trifft im Wald auf einen Holzfäller, der mit einer stumpfen Säge mühsam versucht, einen Baum zu fällen. Der Spaziergänger fragt ihn: „Ihre Säge ist ja ganz stumpf. Warum schärfen Sie sie nicht?“ Der Holzfäller antwortet: „Dafür habe ich keine Zeit, ich muss den Baum fällen!“ Das interessierte Fachpublikum aus der Wasser- und Abwasserwirtschaft hatte sich an diesem Tag die Zeit genommen, um die eigenen Werkzeuge im Umgang mit dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu schärfen. Die Vorträge der Fachleute präsentierten nicht nur spannende neue Instrumente, sondern auch Strategien, um vorhandene Werkzeuge effektiver zu nutzen. Die Kernaussage lag dabei in der Erhöhung der Unternehmensattraktivität und der wirkungsvollen Kommunikation sowohl intern als auch extern. Hier gibt es viele Wege, die zum Ziel führen:
Attraktiv durch Sinngebung — Ausbildungsanreize
Professor Dr.-Ing. Helmut Grüning von der Fachhochschule Münster betont die Aufgabe von Bildungseinrichtungen, nicht nur der Hochschulen, junge Menschen über wichtige Bereiche wie Wasser- und Abwasserinfrastruktur zu informieren. Frühzeitiges Bewusstsein für die Funktionsweise der Welt und die erforderlichen Fähigkeiten zur Erhaltung oder Mitgestaltung schafft Orientierung bei der Suche nach einer sinnstiftenden Ausbildung und späteren Berufstätigkeit. Das Wissen, an Schlüsselstellen im Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels oder der Stadthygiene mitzuwirken, steigert die Attraktivität einer Ausbildung in der Wasserwirtschaft erheblich. Professor Grüning bietet sowohl für Grundschulkinder als auch für Studierende passende Angebote an seinem Lehrstuhl für “Wasserversorgung und Entwässerungstechnik”. Spezielle Besuchstage mit interaktiven Präsentationen, wie einer Augmented Reality Sandbox zur Veranschaulichung des Verhaltens von Regenwasser, begeistern Schüler:innen. Zudem gibt es eine Orientierungsphase für Absolvent:innen von weiterführenden Schulen, die herausfinden wollen, ob ein MINT-Studium das Richtige für sie ist.
Attraktiv durch Mitarbeitermotivation
Unternehmenscoach Marc Jürgen betont die zentrale Rolle der Mitarbeitermotivation bei der Steigerung der Attraktivität von Unternehmen. Um diese zu erhöhen, stellt er die Fragen: Für wen soll das Unternehmen attraktiv sein? Was charakterisiert die Zielgruppe? Was ist ihnen wichtig? Ein genauer Blick auf verschiedene Generationen, insbesondere die aktuelle Generation Z (Geburtsjahrgänge 2000–2010), ist dabei hilfreich. Angehörige dieser Generation sind (in Deutschland) behütet aufgewachsen und ihre Schul- und Freizeit war eher durchorganisiert. Sie sind Digital Natives, ihre Welt ist vernetzt und kommunikativ, digitale Anwendungen beherrschen sie intuitiv und schnell. Sie sind Individualisten und gewohnt, nach ihrer Meinung gefragt und in Entscheidungen mit einbezogen zu werden. Motivierende Faktoren, die die Attraktivität von Unternehmen für diese Zielgruppe steigern, sind Vernetzungsmöglichkeiten, Teamarbeit, Wertschätzung, Anerkennung, positives Vorgesetztenverhalten, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie flexible Arbeitszeiten. Diese Argumente sollten breit kommuniziert werden, um ihre anziehende Wirkung zu entfalten.
Attraktiv mit cleveren Lohn-Konzept Lösungen
Peter Reininghaus vom Lohnkonzept Netzwerk Bielefeld präsentierte clevere Lohnoptimierungsmöglichkeiten als Instrument zur Steigerung der Unternehmensattraktivität. Diese Lösungen werden häufig übersehen, obwohl sie vom Kleinstbetrieb bis zum Konzern sowie für Kommunen und öffentliche Einrichtungen umsetzbar sind. Dabei spielt die Unternehmensgröße keine Rolle. Die Lohnkonzept-Lösungen erfolgen mit Hilfe steuer- und/oder sozialversicherungsfreien Lohnbestandteilen, was zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten und einem spürbar höheren Nettoeinkommen für die Belegschaft führt – eine Win-Win-Situation. Unternehmen können aus über 50 Optionen attraktive Benefits für ihre Mitarbeitenden auswählen, wobei in der Praxis nur eine Handvoll Lösungen einfach umsetzbar sind. Es gilt, die passenden Bausteine für den jeweiligen Betrieb zu finden, die nicht nur für Mitarbeitende einen Mehrwert bieten. Auch für den Arbeitgeber müssen Verwaltung und Umsetzung schlank und transparent sein. Beliebte Benefits in Handwerksbetrieben sind beispielsweise die Unternehmenskarte, Internet-Kostenzuschüsse, Fahrtkostenzuschüsse, Erholungsbeihilfen und Aufmerksamkeiten. Durch begleitende Kommunikation kann eine starke Arbeitgebermarke aufgebaut werden, indem die gewährten Vorteile z.B. in Social-Media-Kampagnen oder Personalanzeigen hervorgehoben werden. Indem man Gutes für die Mitarbeitenden tut, wird das Unternehmen gleichzeitig für neue Talente attraktiv.