Das Ergebnis einer Kooperation zweier Firmen, die Produkte für die blau-grün-graue Infrastruktur herstellen, ist ein Gebäude mit 100 Prozent dezentraler Regenwasserbewirtschaftung und einer Wasserhaushaltsbilanz mit angestrebten 50 Prozent Verdunstungsanteil, wie im natürlichen Gelände vor der Bebauung.
Bei der Bewirtschaftung des Niederschlags natürliche Verhältnisse der Wasserhaushaltsgrößen Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss herzustellen ist seit Erscheinen des DWA-Merkblatts zu Regenwetterabflüssen im März 2022 das ehrgeizige Ziel der Siedlungswasserwirtschaft. Ortsbezogene Jahreswerte, die dem unbebauten Zustand entsprechen, liegen mit dem Hydrologischen Atlas Deutschland HAD vor. Diese Werte trotz Bebauung zu erhalten oder annähernd wieder zu erreichen, ist das Ziel. Noch fehlen den Genehmigungsbehörden dazu aber die Durchführungsbestimmungen. In privater Initiative werden vorweg schon Pilotprojekte realisiert, Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Ein solches Projekt, der Vereinsheim-Neubau des Schellenberg-Sportclubs Donaueschingen (SSC), wird im Folgenden vorgestellt.
Die Lage des Objekts im Sportzentrum Haberfeld könnte für ein anspruchsvolles wasserwirtschaftliches Vorhaben passender nicht sein. Denn was hier im kleinen Maßstab praktiziert wird, geschieht jenseits der Grundstücksgrenze im großen Stil: Rückbesinnung auf natürliche Verhältnisse. Es geht um den Zusammenfluss von Brigach und Breg, deren Wasser aus dem Schwarzwald stammt. Und ab hier trägt der so gebildete und aus 22 weiteren Quellen gespeiste Fluss den Namen Donau. Unter gewässerökologischen Aspekten wurde dieser Ort des „Ursprungs“ renaturiert. Seit Fertigstellung 2022 ist dort wieder eine dynamische Flusslandschaft erlebbar, mit verbesserter Biodiversität und einem naturgemäßen Ausgleich zwischen Hoch- und Niedrigwasser.
Dazu passt, dass von dem 2023 fertiggestellten Vereinsheim des SSC
- … Niederschläge nicht unmittelbar von Gebäude und Grundstück abgeleitet werden. Stattdessen wird Regen in Speichern auf dem Dach, flächig unter der Substratschicht, und im Untergrund, in einer Zisterne aus Betonfertigteilen mit Filtertechnik, zurückgehalten.
- … kein Tropfen Regenwasser ungenutzt in den „Vorfluter“ Donau gelangt, stattdessen ein Teil des gespeicherten Wassers für die WC-Spülungen verwendet und dadurch ganzjährig Trinkwasser gespart wird.
- … ein Teil des gespeicherten Wassers zur Bewässerung des Gründachs genutzt und dadurch die Verdunstung enorm gesteigert werden kann.
- … mit Hilfe von Wetterdaten die automatische Steuerung zur Dachbewässerung bei bevorstehenden Regenereignissen nicht aktiv wird. Das spart Energie.
- … Abfluss und Überlauf des unterirdischen Regenspeichers in eine Versickerungsrigole aus Porenbeton münden. Dort ist ausreichend Hohlraum, so dass selbst Starkregenüberläufe Platz finden, bevor sie allmählich in das Grundwasser sickern.
Ein Kanalanschluss für das Ableiten des Regenwassers vom Vereinsgelände besteht nicht. Das entlastet die kommunale Entwässerung und hilft, die Gefahr von Überflutung zu reduzieren. Auch vermindert sich damit bei Starkregen die Wahrscheinlichkeit von ungereinigten Mischwasserüberläufen in die Donau. Insofern hat das Regenwasser-Bewirtschaftungskonzept des SSC-Vereinsheims einen kleinen Anteil am quantitativen und qualitativen Gewässerschutz. Es ist ein privater Beitrag zum Gemeinwohl, der nicht direkt honoriert wird. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ein entsprechender Beitrag in Zukunft von allen Gebäude- und Grundstückseigentümern in Deutschland per kommunaler Abwassersatzung oder Baugenehmigung eingefordert werden wird. In welchem Fall welche Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung umzusetzen sind, um der ursprünglichen Wasserhaushaltsbilanz zu entsprechen, wird sich zeigen.
Indirekt belohnt sich der SSC als Bauherrschaft mit seinem Konzept durch Einsparen der kompletten Niederschlagsableitungs-Gebühr und eines Teils der Trinkwassergebühr – in dem Verhältnis der für die WCs genutzten Regenwassermenge, ohne Abwasseranteil. Bei Bewässerung der Außenanlagen mit Regenwasser entfällt auch der Abwasseranteil, da im Gegensatz zur WC-Spülung kein Schmutzwasser entsteht, das von der Kommune abgeleitet werden muss.
„In vorauseilendem Gehorsam hat der Verein SSC, noch ohne Forderung der Genehmigungsbehörden, die Anwendung der neuesten technischen Regel beschlossen und uns als ortsansässige Firma um Hilfe gebeten“, erklärt Martin Lienhard, Leiter der technischen Abteilung bei Mall. „Wir sind in den regelgebenden Ausschüssen für Gewässerschutz von DIN, DWA und anderen Institutionen vertreten, haben insofern ein vitales Interesse an der praktischen Umsetzung neuer Regeln mit Hilfe unserer Produkte“. Das Konzept der Regenwasserbewirtschaftung, die Anlage zur Regenwassernutzung und das Versickerungssystem stammen von Mall. Privat ist Lienhard Mitglied im Sportverein SSC und in der Kommunalpolitik der Stadt Donaueschingen aktiv. Insofern war er als Vertreter der Bauherrschaft der richtige für die Gespräche mit der unteren Wasserbehörde.
Die im Sportzentrum Haberfeld geltende Wasserhaushaltsgleichung, die es für das Niederschlagswasser zu erfüllen gilt, lautet: 436 Millimeter (49 Prozent) Verdunstung + 285 Millimeter (32 Prozent) Abfluss + 169 Millimeter (19 Prozent) Versickerung = 890 Millimeter (100 Prozent) Jahresniederschlag. Diese Daten stammen aus einer frei zugänglichen, firmeneigenen Bemessungssoftware auf Grundlage des HAD. Das Bewirtschaftungskonzept sieht vor,
- … eine Verdunstungsrate von 49 Prozent mit einem extensiv begrünten und zusätzlich aus der Regenzisterne bewässerten Flachdach zu erreichen.
- … eine Abflussrate von 32 Prozent über die WC-Spülung mit Wasser aus der Regenzisterne zu erreichen. Das dabei entstehende Abwasser fließt nach Reinigung in der kommunalen Kläranlage in das Oberflächengewässer Donau und stellt somit einen verzögerten Abfluss des Regenwassers dar.
- … eine Versickerungsrate von 19 Prozent durch einerseits den Überlauf bei voller Regenzisterne in die unterirdischen Sickerkammern, andererseits durch die Fugen der wasserdurchlässig befestigten Flächen vor dem Gebäude, zu erreichen.
Derzeit wird in Fachkreisen diskutiert, ob bei einer Wasserhaushaltsbilanz der als Trinkwasserersatz genutzte Anteil des Regenwassers statt als Oberflächenabfluss richtigerweise als Grundwasserneubildung zählen sollte. Denn, je nach Herkunft des Trinkwassers, wird damit in der Regel Grundwasser geschont.
Ein extensives Gründach mit 8 Zentimeter Substratstärke kann lediglich 30 Liter pro Quadratmeter pflanzenverfügbares Wasser speichern, das sind 30 Millimeter Niederschlag. Durch den gewählten speziellen Dachaufbau mit Wasserspeicher vervierfacht sich dieser Wert. „Um denselben Effekt nur mit Substrat zu erreichen, hätten wir die Substratschicht um circa 20 Zentimeter erhöhen müssen, entsprechend einer zusätzlichen Dachlast von 280 Kilogramm pro Quadratmeter“, sagt Ralf Walker, Leiter Forschung und Entwicklung beim Gründach-Systemhersteller ZinCo in Nürtingen. „Deshalb fiel die Wahl auf unser System Sponge City Roof mit einem 8 Zentimeter hohen Hohlraum für Retention unterhalb des Substrats“. Der Wassereinstau erfolgt nur im Sommerhalbjahr. Statisch muss das Gewicht von 80 Kilogramm pro Quadratmeter flüssigen Wassers laut Walker in der vorliegenden Region nicht berücksichtigt werden, da es mit der Schneelast (Wasser in Form von Schnee im Winter) verrechnet wird.
Wenn der Regen auf die 240 Quadratmeter große begrünte Fläche fällt, sättigt sich zunächst die Vegetationstragschicht, das Substrat. Bei weiterer Durchfeuchtung sammelt sich das Wasser unter dieser Schicht auf einem Aquafleece und tropft durch ein so genanntes Bändchengewebe in den darunter liegenden Hohlraum. Ist dieser gefüllt, läuft das Wasser in Richtung Zisterne über. Bei Trockenheit wird aus diesem unterirdischen Speicher periodisch, durch die Pumpe im Regencenter, das Dach bewässert. Dazu liegt auf dem Aquafleece ein Tropfschlauch. Die Tropfer haben in jede Richtung 50 cm Abstand, die Verteilung in der Fläche übernimmt das Aquafleece.
Die gewählte Samenmischung „Bienenweide“ bietet ein für Insekten attraktives Blütenangebot, hat aber auch das Potential, einerseits Wasser gut zu verdunsten, andererseits Trockenphasen gut zu überstehen. Für Inspektion und Wartung gelten die Hinweise der Dachbegrünungsrichtlinie. Walker empfiehlt im Rahmen der Fertigstellungs‑, Entwicklungs- und Unterhaltungspflege und in Abhängigkeit der örtlichen Bedingungen einen „umhüllten“ Langzeitdünger mit ausgewogener Nährstoffzusammensetzung und einer Wirkungsdauer von 4–6 Monaten.
In der Stadtplanung der Zukunft werden die WC-Spülung und die Gründach-Bewässerung konkurrierende Nutzungen sein, wenn alle verfügbaren Dächer begrünt sein werden und bewässert werden sollten. Dazu kommt, dass Kommunen, die neben der Gebäude- auch die Straßenbegrünung für ein besseres Stadtklima brauchen, dafür zusätzlich Bewässerungsbedarf haben werden. Konkurrierender Bedarf an Regenwasser wird entstehen, wo es an Trinkwasser mangelt. Das WCs ließen sich mit gesammeltem Regenwasser spülen, vorausgesetzt es gibt Speicher und separate Leitungen. Davon würden Regionen wie Unterfranken sowie fast alle deutschen Metropolregionen profitieren. Sie könnten den Trinkwasserbezug über Fernwasserleitungen reduzieren.
Die Pilotprojekt-Partner des SSC, zu denen neben Mall (als Anbieter von Gewässerschutzsystemen in Verbindung mit Betonfertigteilen) auch der Gründach-Systemhersteller ZinCo gehört, haben sich intensiv mit Möglichkeiten beschäftigt, konkurrierende Nutzungen des Regenwassers weitgehend zu vermeiden. Das Ergebnis im Vereinsheim ist eine Technik, die folgendermaßen installiert beziehungsweise programmiert wurde:
- Die Bewässerung des Gründachs erfolgt in regelmäßigen Zyklen durch eine automatische handelsübliche Steuerung, die Wetterdaten verarbeiten kann.
- Die Bewässerung wird ausgesetzt, falls die Wettervorhersage Regen ankündigt – und, falls die Füllstandsanzeige der unterirdischen Zisterne weniger als 3,9 Kubikmeter verbleibende Vorratsmenge meldet. Dieser Rest ist zur Nutzung im Gebäude vorgesehen.
- Die WC-Spülungen werden durch ein vom Trinkwasser unabhängiges Leitungsnetz versorgt. Den dazu erforderlichen Wasserdruck hält das Regencenter Tano L aufrecht, das als Hauswasserstation im Technikraum an der Wand montiert ist. Seine Pumpe saugt knapp über dem Zisternenboden an – gereinigtes Regenwasser, das bereits im Zulauf des Speichers gefiltert wurde.
- Sind in Trockenzeiten 3,7 von insgesamt 7,6 Kubikmetern Zisternenvorrat aufgebraucht, wird der bis zu 19,2 Kubikmeter fassende Wasserspeicher auf dem Dach nach und nach in die Zisterne entleert. Dabei wird periodisch die Füllmenge von 3,9 um 1,5 auf nur 5,4 Kubikmeter erhöht, so dass mindestens 2,2 Kubikmeter Fassungsvermögen für die Rückhaltung von Regenwasser bleiben.
- Erst wenn beide Regenspeicher leer sind, werden für die WC-Spülungen bedarfsgerecht kleine Mengen Trinkwasser im Regencenter eingespeist. Dies geschieht durch „freien Auslauf“ gemäß DIN EN 16941–1 und DIN 1989-100, ohne direkte Verbindung mit dem Trinkwassernetz.
Um den Trinkwasserbedarf in Trockenzeiten möglichst gering zu halten und zugleich die Speichergröße wirtschaftlich vernünftig zu dimensionieren, hat Mall das firmeneigene Bemessungsprogramm eingesetzt. Es nutzt die örtlichen langjährigen Regendaten und bringt sie durch Simulation in Verbindung mit dem geplanten Regenwasserbedarf. Ergebnis ist ein unterirdischer Betonbehälter mit 7,6 Kubikmeter Volumen.
Im Weiteren wird Stephan Klemens, Entwicklungsleiter bei Mall, zusammen mit Ralf Walker, die Daten der Regenwasserbewirtschaftung beim Pilotprojekt Vereinsheim SSC Donaueschingen sammeln und auswerten – insbesondere zur Bewässerung des Gründachs. Die Auswirkungen auf die Wasserhaushaltsgrößen Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss besser zu verstehen kann helfen, künftig eine ausgeglichene Wasserhaushaltsbilanz vorab simulieren zu können.