Die Gelegenheit, sich vor Ort bei 32 bayerischen Anlagenbetreibern über die Stromerzeugung aus Wasserkraft zu informieren, nutzten Bürger:innen vom 14. bis 16. Juli 2023. Die Tage der Wasserkraft mit 36 Kraftwerken in ganz Bayern fanden in diesem Jahr im Rahmen der Bayerischen Energietage statt. Die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) hatte zusammen mit dem Landesverband bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) zu den Tagen der Wasserkraft eingeladen.
Unter dem Motto „Energiewende. Hier. Jetzt“ hatte das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie dazu aufgerufen, in Praxisbeispielen zu demonstrieren, wie Energiewende vor Ort erfolgreich praktiziert wird. Über 130 Veranstaltungen in ganz Bayern wurden angemeldet. Die Besucher konnten Wasserkraft- und Umspannwerke genauso besichtigen wie Passivhäuser oder die Agri-Photovoltaik-Freiflächenanlage in Althegnenberg. Die Tage der Wasserkraft standen unter dem Motto: „Zukunft Strom. Gemeinsam mit der Wasserkraft“.
Sanierte historische Mühle
Fritz Eberlein, Geschäftsführer bei AUF Eberlein, hatte am Freitag, 14. Juli 2023, vormittags zur feierlichen Einweihung der sanierten historischen Wasserkraftanlage mit 1,9 Megawatt Leistung in Berchtesgaden-Gartenau und zum Tag der Wasserkraft ab 14 Uhr eingeladen.
Michaela Kaniber (CSU), Bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, betonte: „Die regenerative Energiequelle Wasserkraft ist ein verlässlicher wichtiger Player für die erneuerbare Stromerzeugung. Ich freue mich, dass es nach wie vor Wasserkraftanlagen gibt, die auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden und so klimaneutralen Strom noch effizienter erzeugen.“ Auch Fischereivertreter und Vertreter des BUND seien gekommen.
E‑Werk Schweiger in Oberding
Auch das E‑Werk Schweiger Schwaig / Oberding in der Nähe von München hatte am 14. Juli zum Tag der Wasserkraft eingeladen. Hier lautete das Motto: „Bei der innovativen Wasserkraftnutzung werden Tradition und Zukunft sowie Klima- und Gewässerschutz in Einklang gebracht.“ Mit Bürgermeister Bernhard Mücke, Landrat Martin Bayerstorfer und dem Landtagsabgeordneten Benno Zierer waren drei Vertreter aus der Kommunal- und Landespolitik präsent. Neben Führungen gab es ein Vortragsprogramm. So erläuterte Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), die ambitionierten energie- und klimapolitischen Ziele der Bayerischen Staatsregierung im „Bayernplan Energie 2040“.
Joachim Ferstl und Simon Koderer von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München stellten das „InDEED“-Projekt vor. Darin werden künftige Marktmodelle für ein innovatives, räumlich und zeitlich hochaufgelöstes, transparentes und manipulationsresistentes Herkunftsnachweissystem mit Unterstützung der Blockchain-Technologie untersucht. Das E‑Werk Schweiger ist daran beteiligt.
Fritz Schweiger, Geschäftsführer des E‑Werks Schweiger und erster Vorsitzender der VWB, lud zudem zur Besichtigung der Fischtreppe ein und erläuterte dort die Durchgängigkeit fließender Gewässer. Weitere Themen waren das Notstromkonzept für die Gemeinde Oberding des E‑Werks Schweiger sowie Hochwasser-Management.
Wasserkraftwerk und Schreinerei in Eichendorf
Anton Gierl betreibt eine Wasserkraftanlage an der Niederbayerischen Vils in Eichendorf, Landkreis Dingolfing/Landau. Mit einem Gefälle von circa 2,30 Metern erzeugt sie circa 350.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Die ehemalige Getreidemühle Prunn wurde bereits 1722 urkundlich erwähnt. 1930 wurde eine gebrauchte Turbine eingebaut, vier Nachbarn wurden mit Gleichstrom versorgt. 2013 wurde der Fischpass in Betrieb genommen und der Stababstand am Rechen auf 15 Millimeter verringert.
Gierl hatte am Samstag, 15. Juli 2023, zum Tag der Wasserkraft eingeladen. Die Veranstaltung wurde federführend von Franz Mitterfelner, ehemaliger Geschäftsführer von Mitterfelner Schalungsbau, organisiert und moderiert. Der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger (CSU) eröffnete die Reden. Er hob den hohen Stellenwert der Wasserkraft in der Region Niederbayern hervor: „2020 hatte der Anteil der Wasserenergie, gleichauf mit Photovoltaik etwa 40 Prozent.“ Anschließend referierte Erich Doblinger von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Niederbayern über die Rolle der IHK in wasserrechtlichen Genehmigungsfragen und insbesondere zur Bewertung von Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.
Josef Beham, Bürgermeister von Eichendorf erwähnte, dass sich die Gemeinde Eichendorf bilanziell zu mehr als 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt. Georg Wallaschek vom Bayernwerk ging auf die Situation in den Stromversorgungsnetzen ein. Anschließend erörterte Otto Mitterfelner, Vorstand des Landesverbandes bayerischer Wasserkraftwerke, die aktuelle Situation der Kleinwasserkraftbranche und gab einen Einblick in die Historie der Kleinen Wasserkraft und die Leistungen in Bezug auf die Netzstabilität und die gesicherte Stromversorgung. Andreas Obermaier von Smart & Home erläuterte das Potenzial aus der Kombination von Wasserkraft- und von intelligent gesteuerten Photovoltaikanlagen.
Alte Mühle Altenplos
Am gleichen Tag, dem 15. Juli 2023, lud auch Fritz Höhn, Besitzer der Alten Mühle Altenplos in Heinersreuth im Landkreis Bayreuth, zum Tag der Wasserkraft ein. Seine Mühle ist über 600 Jahre alt.
Nach vielen Besitzerwechseln zerfiel sie im Dreißigjährigen Krieg und wurde 1660 neu aufgebaut. Seit 1771 ist Familie Höhn Besitzer und Betreiber der Korn- und Sägemühle. Ein Brand bedeutete 1963 das Aus der Getreidemühle. Nach dem Tod seines Vaters übernahm Fritz Höhn die Mühle, das Wehr und das Triebwerk. 1992 erwarb er das zwischenzeitlich stillgelegte Sägewerk zurück. Seit 1907 wird dort Strom erzeugt, die heutigen zwei Francis-Turbinen wurden 1964 eingebaut und damit die Stromerzeugung wieder aufgenommen.
Die Besucher besichtigten seine Wasserkraftanlage, das ehemalige Wasserrad-Häuschen, die Wehranlage und das Maschinenhaus. Zum Programm gehörte ein Vortrag von Reinhard Moosdorf von der IG Strom aus Wasserkraft zum Thema „Wasserkraftnutzung ist Umweltschutz“.
Gemeinsamer Betrieb zweier Wasserkraftwerke
In Kolbermoor bei Rosenheim luden die WWS Elektrizitätswerke von Freitag bis Sonntag zu den Tagen der Wasserkraft ein. Hier standen Betriebsleiter Karl Schwingenschlögl, Samuel Roth und Alex Stahl zu den beiden Wasserkraftwerken Oberes und Unteres Werk am Mangfallkanal Rede und Antwort.
Die Besichtigung begann in der Regel beim Unteren Werk in der Nähe des Zentrums von Kolbermoor. Die Wasserkraftanlage wurde 1896 von der damaligen Baumwollspinnerei gebaut, die den Strom bis zur Schließung der Spinnerei im Jahr 1997 für den eigenen Betrieb und zur Versorgung der Stadt Kolbermoor nutzte. Das Wasserkraftwerk wurde vier Mal umgebaut. Die älteste, heute noch funktionstüchtige Turbine am Unteren Werk Kolbermoor wurde 1916 eingebaut. Zwei Francis- und eine Kaplan-Turbine erzeugen im Unteren Werk Strom, ihre gemeinsame Maximalleistung liegt bei 1.250 Kilowatt. Bei einem Nutzgefälle von 6,6 Metern und einem Schluckvermögen von maximal 28 Kubikmetern pro Sekunde, hat das Werk seit 2017 rund 48 Millionen Kilowattstunden klimafreundlichen Strom erzeugt. Das entspricht dem Strombedarf von etwa 10.600 Haushalten mit einem durchschnittlichen Strombedarf von 4.500 Kilowattstunden im Jahr. Legt man 0,66 Kilogramm CO2 (der Wert ist abhängig von der verwendeten Kohle) für eine Kilowattstunde Strom aus einem Kohlekraftwerk zugrunde, so hat das Untere Werk mit der aus Wasserkraft erzeugten Energie 31.680 Tonnen CO2 vermieden. Bei einem Gaskraftwerk mit 0,33 Kilogramm CO2-Emissionen je Kilowattstunde Strom liegen die vermiedenen Treibhausgasemissionen bei 15.840 Tonnen.
Etwa eineinhalb Kilometer entfernt liegt das Obere Werk, das die Gäste mit dem zur Verfügung gestellten E‑Bike erreichen konnten. Es wurde von 1907 bis 1908 errichtet. Hier ist eine Francisturbine in Betrieb, die schon seit 1908 Strom erzeugt.
Dazu kommt eine Kaplanturbine aus dem Jahr 1964 mit einer Leistung von einem Megawatt. Das Obere Werk schickt Energie mit 6.000 Volt über ein Kabel zum Unteren Werk. Dort wird sie zu 20.000 Volt umgewandelt und in das öffentliche Stromnetz von Kolbermoor eingespeist. Das Obere Werk hat seit 2017 rund 52 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt, womit etwa 11.550 4‑Personen-Haushalte versorgt werden können. Im Vergleich zum Kohlewerk wurden in dem Zeitraum 34.320 Tonnen CO2-Emissionen vermieden, zum Gaskraftwerk 17.160 Tonnen CO2. Das historische Gebäude wurde in seiner Bauform nicht verändert.
Die bayerischen Wasserkraftverbände VWB und LVBW planen, 2024 zum dritten Mal zu Tagen der Wasserkraft einzuladen.