Der Umweltcluster Bayern verlieh gestern im Augsburger Maximilianmuseum die Auszeichnung als Leuchtturmprojekt 2018 an die Schraml GmbH und die Stadtentwässerung Nürnberg (Sun) für deren gemeinsames Projekt einer innovativen Kanalnetzbewirtschaftung. Die Sun stand mit immer häufigeren Starkregenereignissen, zunehmender Flächenversiegelung und höheren Gewässerschutzanforderungen vor der Aufgabe, das Kanalnetz für die neuen Herausforderungen fit zu machen. Dafür starteten die Nürnberger bereits seit den 1990er Jahren auf Basis des damals eingeführten Prozessleit- und Fernwirksystems AQASYS der Vagener Firma Schraml eine systematische Datensammlung und ‑analyse aller Vorgänge im Kanalnetz, sozusagen ein „Kanalnetz 4.0‑Projekt“. Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse und die Installation intelligenter Fernwirktechnik, ebenfalls aus dem Hause Schraml, sowie die langjährige Erfahrung der Sun Mitarbeiter haben dazu geführt, dass das Nürnberger Kanalnetz heute eine deutlich stärkere Resilienz gegenüber extremen Regenereignissen aufweist. Die Nutzung der Stauräume wurde verbessert, die Ableitung von Mischwasser in die Nürnberger Gewässer wurde signifikant reduziert und der Zulauf zu den Klärwerken kontinuierlicher gestaltet.
Um das Kanalnetz von Nürnberg mit seiner Länge von 1471 km, den 31 Pumpwerken, 66 Regenbecken und den Stauraumkanälen in eine effiziente Bewirtschaftung zu überführen, mussten die Prozesse und Schaltstellen im Kanalnetz umfassend verstanden und digital miteinander verbunden werden. Ziel war es, die kaskadenförmig angeordneten Stauraumkanäle nicht nur in ihrer Funktion als Mischwasserspeicher, sondern auch als „Transportkanäle“ zu nutzen, in denen sich die Fließgeschwindigkeit des Abwassers der Intensität der Regenwasserbelastung und der Füllstandshöhe der einzelnen Kammern anpasst. Damit sollten eine optimierte Ausnutzung der vorhandenen Stauraumkapazitäten und ein gesteuerter Zufluss zu den Klärwerken erreicht werden. Eine schnellere Entleerung der einzelnen Kammern sollte dazu führen, dass auch bei Folgeregen wieder Stauraum zur Verfügung steht.
Transparenz zu Vorgängen im Kanalnetz
Das AQASYS Prozessleitsystem von Schraml liefert die notwendige Visualisierung (inklusive Prozessbildzeitraffer, im Sinne eines Videos, um Abläufe im Kontext und in Reihenfolge zu sehen) und die Möglichkeiten der Datenaufbereitung (Protokolle, RÜB-Ereignisberichte, Ganglinien mit hochauflösenden Archivwerten im Minuten- und Sekundenraster). Damit werden die Zustände und Abläufe im gesamten Kanalnetz – Niveau-/Beckendurchflusswerte, Befüllungs- und Entleerungsphasen, Schieberaktivitäten, Zulauf zu den Kläranlagen und Entlastungen in den Vorfluter – permanent überwacht und ausgewertet.
Intelligente und vernetzte Fernwirktechnik steuert Prozesse im Kanalnetz
Die über DSL, LAN und GPRS „vernetzte“ Kanalnetzbewirtschaftung, d.h. die Steuerung der einzelnen Kanalabschnitte und Stauräume in Abhängigkeit voneinander und von der jeweiligen Belastung der Nürnberger Klärwerke, wird durch das Fernwirk- und Automatisierungssystem von Schraml ermöglicht. Ganz entscheidend für die hohe Wirksamkeit der vernetzten Bewirtschaftung ist, dass die Stationen direkt miteinander interagieren und wenn nötig, auch autark (unabhängig von der Zentrale) Entscheidungen treffen können. Dadurch wird eine kanalnetzübergreifende, ausfallsichere und flexible Abflusssteuerung erreicht.
Kombination von menschlicher Erfahrung und Kompetenz mit innovativer Technik
Dass die ökonomischen wie ökologischen Ergebnisse des Projekts so positiv ausgefallen sind, liegt neben der Technik vor allem an der langen Erfahrung und dem großen Fachwissen aller Beteiligten. Das Team der SUN betrieb von Anfang an mit hoher Motivation und Eigeninitiative das Projekt und ließ die eigenen Erfahrungswerte aus der jahrzehntelangen Anlagenbetreuung konstant einfließen. In vielen Iterationen wurden und werden immer wieder Optimierungen vorgenommen und deren Wirksamkeit im Gesamtsystem verfolgt.