Auf mehr als 30.000 Euro Einsparungen im Jahr beziffert das Projektteam aus Mitarbeitern des Ruhrverbandes den Einbau einer Wärmerückgewinnung in die Gebläseluftversorgung der Kläranlage Essen-Kupferdreh. Die siebenköpfige Gruppe hat damit beim betrieblichen Vorschlagswesen des Verbandes einen herausragenden Beitrag erarbeitet. Indem die bei der Gebläselufterzeugung entstehende Abwärme durch einen Rohrbündelwärmetauscher genutzt wird, lassen sich damit jetzt die Betriebsgebäude heizen und das Brauchwasser auf Temperatur bringen. Die Projektierung der Wärmerückgewinnung verlief in enger Zusammenarbeit mit AERZEN, weil in Essen-Kupferdreh vier Delta Blower Drehkolbengebläse für die Luftversorgung der Biologie eingesetzt und der Spezialist für Gebläsetechnik über entsprechende Expertisen bei der Rückgewinnung mit Rohrbündelwärmetauscher verfügt.
Vor der Umrüstung betrugt der durchschnittliche jährliche Verbrauch an Erdgas für die Heizung etwa 310.000 kWh – was letztlich Kosten in Höhe von rund 20.000 Euro verursachte. Der nachhaltigere Umgang mit primären Energieträgern ist aber eine Seite der Medaille. Um den Stellenwert der Wärmerückgewinnung in seiner ganzen Dimension zu erschließen, lohnt sich auch der Gang in den Gebläsekeller. Darin war es bis zum Einbau des Rohrbündelwärmetauschers mit einer Raumtemperatur um die 35 Grad Celsius selbst im Winter kuschelig warm. Die hier eingebauten vier Aggregate vom AERZEN-Typ Delta Blower GM 90S (max. 5400 m³/h, 1000 mbar, 200kW) büßen zwar angesichts dieser Temperatur kurz vor der Fiebermarke nichts ihre Betriebszuverlässigkeit ein, wohl aber Wirkungsgrad. Dieser Effizienzverlust resultiert aus der geringeren Dichte der Ansaugluft. „Je höher das Raumthermometer steigt, je mehr müssen die Aggregate arbeiten, um die gleiche Menge Sauerstoff in die Belebungsbecken zu bekommen“, erklärt Dipl.-Ing. Stefan Staske, Betriebsgruppenleiter im Regionalbereich West des Ruhrverbandes.
Sinkender Stromverbrauch durch kühlere Luft
Welcher Rückschluss lässt sich daraus ziehen? Zum einen versorgt der Rohrbündelwärmetauscher nach Auskunft von Stefan Staske den Pufferspeicher für Warmwasser und Heizung mit reichlich Wärmeenergie. Zum anderen entzieht er dem Maschinenraum Wärme. Und weil damit 1:1 die Ansaugluft kühler wird, steigt die Dichte – und die Delta Blower bringen bei gleicher Motorleistung mehr Normkubikmeter in die Belebung. Das Projektteam hat im Vorfeld ermittelt, dass mit der in der Gebläseluftleitung eingebauten Rückgewinnung ein Temperatur-Delta von 15 Grad Celsius die Folge ist. Aufgrund der damit einhergehenden Effizienzsteigerung durch die höhere Luftdichte betragen die Stromeinsparungen rund 15.000 Euro im Jahr, weil die Delta-Blower weniger leisten müssen.
Die hohen Temperaturen bei der Versorgung der Biologie mit Sauerstoff resultieren aus dem Joule-Thomson-Effekt. Hierbei lässt sich beobachten, dass sich die verdichtete Luft erwärmt, weil die Moleküle durch den höheren Druck enger zusammenrücken. Ein Plus von 100 Millibar zieht ein Temperaturdelta von +10 Grad Celsius nach sich. In Essen-Kupferdreh erzeugen die Delta Blower einen Differenzdruck von 700 Millibar, was folglich ein Delta T von 70 Grad bedeutet. Bei einer angenommenen Raumtemperatur von 20 Grad verlässt die Gebläseluft die Aggregate damit mit 90 Grad Celsius. „Etwa 95 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie wird bei der Druckluft in Wärme umsetzt und nur fünf Prozent fließen in die eigentliche Luftversorgung“, bringt es Michael Kamitz vom AERZEN Vertriebsbüro West in Velbert auf den Punkt. Der Joule-Thomson-Effekt lässt sich physikalisch nicht eliminieren. Folglich sind Maßnahmen gefragt, die Verluste zu begrenzen, indem die erzeugte Wärmeenergie für andere Prozessbereiche Verwendung findet.
Gebläsehersteller aus Projektpartner
AERZEN nimmt hier als Spezialist für Gebläsetechnik eine immer wichtigere Rolle ein, gemeinsam mit den Betreibern von Abwasseranlagen oder Unternehmen in anderen Industriezweigen passende Rückgewinnungslösungen im System mit den Gebläseeinheiten zu konzipieren. In der Praxis bewähren sich Rohrbündelwärmetauscher aufgrund ihrer hohen Effektivität als Folge des sehr guten Wärmeübergangs von der Luft ins Wasser. Zudem sind sie leicht nachrüstbar, weil sich die Einheiten im Durchmesser überaus flexibel an die Rohrleitungen anpassen. Der Wärmetauscher in Essen-Kupferdreh passt mit seinem Durchmesser von 500 mm perfekt zur vorhandenen DN 500 Leitung.
Amortisationszeiten von knapp zwei Jahren und eine vergleichsweise simple Installation: Nach Erfahrungen von Michael Kamitz herrscht in der Abwasserbranche aber immer noch ein gewisser Respekt davor, einen Wärmetauscher nachzurüsten. Der Diplom-Ingenieur sieht dafür drei wesentliche Punkte. Erstens herrscht eine gewisse Skepsis, einen Wasserkreislauf in eine Versorgungsluftleitung zu bringen. Zweitens gibt es Befürchtungen, dass der vom Wärmetauscher erzeugte Gegendruck in der Leitung wiederum den Stromverbrauch der Gebläse nach oben treibt, weil diese aufgrund des Widerstandes mehr arbeiten müssen. Der dritte Aspekt geht der Frage nach, inwieweit sich die Wärmerückgewinnung gespiegelt auf die ganz konkreten Betriebsbedingungen vor Ort überhaupt lohnen und wenn ja, mit welchen Einsparpotenzialen.
Ganzheitliche Systembetrachtung
In allen drei Punkten sind Gebläsetechnikhersteller für Klärwerksbetreiber wichtige Engineeringpartner, weil sie aufgrund ihrer Erfahrung die Systeme perfekt berechnen und Gesamtpakete auslegen können. „Wir wissen, welche Wärmetauscher langlebig sind und welche am besten funktionieren. Wir wissen ebenfalls, bei welchen Produkten die Druckverluste am geringsten sind“, erklärt Michael Kamitz. Hinzu kommt, dass AERZEN aufgrund der gesammelten Erfahrung Know-how weiter gibt, wie so ein System im laufenden Betrieb einer Kläranlage am schnellsten und sichersten einzubauen ist. Längeren Anlagenstillstand kann sich keine Kläranlage erlauben. Knapp 77.000 Einwohnerwerte sind es, die nach Auskunft von Stefan Staske aktuell an die Kläranlage Essen-Kupferdreh angeschlossen sind.
Diese Zusammenarbeit mündet zum Beispiel im Detail, das aus der Druckleitung herausgetrennte Rohrstück eben nicht im Schrott zu entsorgen, sondern stattdessen rechts und links mit einem Flansch zu versehen. Muss der Wärmetauscher später einmal für Wartungen oder Reparaturen ausgebaut werden, lässt sich die Lücke in der Leitung dann mit genau diesem Stück schließen. Zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit gehört ebenfalls, die zu erwartenden Wärmeerträge zu berechnen, damit Investitionsentscheidungen mit Return on Investment Zeiten hinterlegt werden können. Gerade bei flache Belebungsbecken tritt die Frage auf, ob sich die Rückgewinnung überhaupt lohnt, weil das Druckdelta im Vergleich zu tiefen Becken deutlich geringer ausfällt – und folglich auch der Temperaturanstieg in der Gebläseluft.
Fazit
Die Kläranlage in Essen-Kupferdreh zeigt, mit welch einfachen Maßnahmen heute die Verlustwärme aus der Drucklufterzeugung zu erschließen ist. Die Mitarbeiterbeteiligung an solchen Projekten in Form des betrieblichen Verbesserungswesens leistet an dieser Stelle einen wertvollen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit in der Abwasserreinigung.