Wohin man schaut, befürchten Kläranlagenbetreiber massive Engpässe bei der Belieferung mit Chemikalien. Vor allem im Fokus: Fällmittel, die unerlässlich sind, um Phosphor zu binden und damit dem Abwasser zu entziehen.
Gute Nachrichten indes von den Kläranlagen, die Veolia im Auftrag der Kommunen und der Industrie betreibt, zum Beispiel in der Elbestadt Schönebeck: “Wir haben im Moment keine Sorgen und sind dank unserer langfristigen Lieferverträge bestens aufgestellt”, sagt Abwassermeister Mike Dragon, der als Gruppenleiter bei Veolia Wasser Deutschland Verantwortung trägt. Veolia betreibt in Schönebeck (Elbe) die kommunale Kläranlage.
Der Internationale Tag der Flüsse am 25.09.2022 war ein Anlass, um die Fließgewässer als Lebensraum für Flora und Fauna ins Bewusstsein zu rücken. Dabei rückt der hohe Reinigungsgrad des Abwassers besonders ins Blickfeld.
“Dass eine funktionierende Abwasserreinigung einen großen Anteil daran hat, dass es unseren Gewässern deutlich besser geht, als früher, sollte bekannt sein. Und trotz des hohen Automatisierungsgrades auf der Kläranlage, ist es unser Job, jeden Tag aufs Neue Parameter zu bestimmen und die Anlage optimal einzustellen, damit alle Grenzwerte eingehalten werden. Denn das ankommende Abwasser ist je nach Tages- oder Jahreszeit immer wieder anders zusammengesetzt und erfordert die entsprechende Behandlung”, erläutert Mike Dragon.
Für Phosphat liegt der Grenzwert bei zwei Milligramm je Liter. Und die Behörden achten akribisch darauf, dass dieser Grenzwert — wie alle anderen auch — eingehalten wird. Während andere Bundesländer sich in Anbetracht der aktuellen Fällmittel-Lieferengpässe auf Kompromisse einlassen und Grenzwertüberschreitungen in Ausnahmefällen duldet, bleibt man in Sachsen-Anhalt konsequent bei den geltenden Grenzwerten. Eine Entscheidung auch im Sinne der Gewässergüte — so sieht es Mike Dragon und ist erleichtert, dass man bei Veolia in Schönebeck (Elbe) in Ruhe und verlässlich arbeiten kann, ohne mit Chemikalien haushalten zu müssen.
Apropos haushalten: Dank der Online-Messung wird immer nur so viel Fällmittel zugegeben, wie tatsächlich benötigt wird, um den Grenzwert des gereinigten Abwassers einzuhalten. Die Dosierung erfolgt, nachdem die Bakterien im Belebungsbecken ihre Arbeit verrichtet und die organischen Bestandteile im Abwasser abgebaut haben. Das funktioniert circa zwei Drittel des Jahres in der biologischen Reinigungsstufe bereits so hervorragend, dass so gut wie kein Fällmittel zum Einsatz kommt.
“Wir dosieren wie die meisten Kläranlagenbetreiber Fällmittel überhaupt erst in der Nachklärung”, informiert Mike Dragon. Durch das Fällmittel wird Phosphat gebunden und bildet eine schlammartige Substanz, die schließlich als Überschussschlamm abgezogen werden kann. Ein Viertel aller Kläranlagen in Deutschland beklagt nach Informationen der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) bereits fehlende Lieferungen von Fällmitteln. Jeder zweite Kläranlagenbetreiber erwartet einen massiven Engpass, bis hin zum Komplettausfall der Bestellungen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der DWA hervor. Der Branchenverband fordert die Politik auf, etwas für den Schutz der Gewässer zu tun — indem man die Lieferung von Fällmitteln sicherstellt.
Phosphor ist ein Nährstoff und wirkt wie Dünger. Er lässt Algen in Gewässern wachen. Das kann dazu führen, dass der Sauerstoffgehalt im Gewässer sinkt und Fische verenden. Kurzfristig müsse man jedoch nicht mit einer Eutrophierung der Gewässer rechnen, da sich Algen in der kalten Jahreszeit naturgemäß kaum ausbreiten.