Abwässer aus der Pharmaindustrie zu behandeln, wird immer anspruchsvoller: ständig neue Medikamente und fortlaufend aktuelle Anwendungen. EnviroChemie bietet neben einer sorgfältigen Analytik eine Reihe von Verfahren an, um bedenkliche Inhaltsstoffe zuverlässig aus dem industriellen Abwasser zu entfernen.
Rückstände von Medikamenten lassen sich im Wasser nachweisen. Das gilt für Antibiotika genauso wie für Hormone und viele andere Arten von Medikamenten, die Menschen einnehmen oder sich als Salbe auf die Haut auftragen. Bereits bei der Produktion von Pharmazeutika sind die dabei anfallenden Abwässer mit Resten von Arzneimittelwirkstoffen belastet.
Solche Stoffe können Menschen und Tieren potenziell schaden, zumal einige davon sich mit der Zeit in der Umwelt ansammeln. Vor allem wächst die Bandbreite an Medikamenten stetig, gleichzeitig werden auch aufgrund des demographischen Wandels immer mehr Pharmaka verbraucht. Die Folge: Das Problem wird sich zwangsläufig in Zukunft noch weiter verschärfen.
Arzneiwirkstoffe sind biologisch schwer abbaubar
Nur die sogenannten aktiven pharmazeutischen Wirkstoffe (active pharmaceutical ingredients, API) machen die arzneiliche Wirkung aus. „Ein großer Anteil eines Medikamentes wird ausgeschieden und landet unverändert oder als Abbauprodukt im Abwasser“, sagt Elmar Billenkamp, Diplomingenieur und Abteilungsleiter bei EnviroChemie.
So verunreinigen API in hohen Konzentrationen die Abwässer von Pharmafabriken und Spuren davon landen schließlich auch in kommunalen Kläranlagen. Sie sind in der Regel schwer biologisch abbaubar. Ohne Vorbehandlung dürfen die Abwässer deswegen nicht in Kläranlagen eingeleitet werden. Schätzen Abwasserexperten bestimmte API als ökotoxikologisch belastend ein, sollten sie am besten sofort am Entstehungsort eliminiert werden.
Die Pharmaindustrie steht also vor der Herausforderung, die Reststoffe im Wasser effektiv und kosteneffizient zu entfernen, ohne dabei der Umwelt zu schaden.
„Die Aufgaben bei der Behandlung von Abwasser aus der Pharmaproduktion werden immer differenzierter“, sagt Billenkamp. Häufig seien komplexe Abwässer zusätzlich starken Schwankungen unterworfen: „Es kommen auch laufend neue Wirkstoffe und Anwendungen dazu.“
Ein prägnantes Beispiel dafür ist das Tensid Octoxinol 9 – denn es ist als Lösung in vielen Corona-Schnelltests enthalten und damit ein Paradebeispiel für einen Stoff, der innerhalb kurzer Zeit eine komplett neue Herausforderung für Abwässer darstellt. Octixonol wird unter dem Handelsnamen Triton X100 verkauft und darf aufgrund seiner Toxizität auch in geringen Mengen nicht ins Abwasser gelangen. Aufgrund der erhöhten Produktions- und Abnahmemengen sind Produzenten nun gefordert, hier ganz neue Lösungen zu entwickeln – dafür ist die Expertise von Abwasserspezialisten unerlässlich.
Problematische Inhaltsstoffe gleich am Entstehungsort eliminieren
Wenngleich die Anforderungen steigen, wird parallel dazu auch die Analytik immer besser, wie Billenkamp betont: „In Speziallaboren lassen wir ökotoxikologische Untersuchungen des Abwassers durchführen. Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung arbeitet dabei mit Universitäten und Instituten zusammen.“
Wie stark das Abwasser gereinigt werden muss, darüber entscheidet der sogenannte PNEC-Wert eines Stoffes, der von Umweltlaboren festgelegt wird. Das Akronym von „predicted non-effective concentration“ bezieht sich auf den Schwellenwert eines toxischen Stoffs im Wasser, bei dem kein Einfluss auf die Umwelt nachgewiesen wurde. Unterhalb des PNEC-Werts gelten Stoffe im Wasser also als akzeptabel, das Abwasser kann abgeleitet werden.
Den CO2-Fußabdruck reduzieren
Um Abwasser aus der pharmazeutischen Produktion vorzubehandeln, kommen unterschiedliche Verfahren in Betracht. Dabei können auch mehrere Technologien miteinander kombiniert werden. Häufig lassen Unternehmen wässrige Abfälle von externen Anbietern verbrennen. Das allerdings ist sehr kostenintensiv, weil erst das Wasser verdampfen muss, bevor die Feststoffe verbrennen können. Neben dem hohen Energieaufwand wird dabei viel CO2 ausgestoßen: „Hinzu kommen LKW-Transporte, das erhöht den CO2-Footprint zusätzlich“, erklärt Billenkamp.
Auch physikalische Verfahren sind teuer. Rückstände im Abwasser werden bei der Membrantechnik herausgefiltert oder von Aktivkohle absorbiert. Anschließend müssen die Unternehmen diese Reststoffe kostenpflichtig entsorgen lassen. Je nach Art des Abwassers können sich diese Verfahren aber eignen, wenn man sie mit anderen Technologien kombiniert.
AOP-Verfahren zur Vorbehandlung von Abwässern
„Gängiger sind heute die eleganten AOP-Verfahren“, so Billenkamp. Also erweiterte Oxidationsprozesse („Advanced Oxidation Processes“), bei denen API oder andere schwer abbaubare Stoffe in kleinere organische Bruchstücke zerteilt werden. Denn viele der Stoffe bestehen aus langkettigen Molekülen, die von Bakterien in den Kläranlagen nicht aufgebrochen werden können.
Zum Beispiel Ozon oder auch Wasserstoffperoxid (H2O2) kombiniert mit UV- Licht bewirken bei der Oxidation, dass Hydroxyl- Radikale (OH-Radikale) entstehen, die besonders schnell und stark mit fast allen oxidierbaren Substanzen reagieren. So werden aus den komplexen Schadstoffmolekülen kleinere organische Bruchstücke, die nicht mehr bedenklich sind und sich anschließend biologisch klären lassen.
Art und Zusammensetzung des Abwassers ist entscheidend
Welches AOP-Verfahren am besten greift, hängt von der Art des Abwassers und seinen Bestandteilen ab.
„Die meisten Unternehmen spezialisieren sich auf ein Verfahren. Wir sind hier aber verfahrensoffen“, sagt Billenkamp. In eigenen Laboren und Pilotanlagen erproben die Abwasserexperten von EnviroChemie die unterschiedlichen Verfahren für die verschiedenen Pharmaka und nähern sich so einer Lösung an. „Zusammen mit unseren Kunden entwickeln wir die jeweils passende Wasserbehandlungsmethode.“
Als Beispiel hat EnviroChemie gemeinsam mit der Firma Roche und in Zusammenarbeit mit dem Institut IUTA in Duisburg ein Verfahren entwickelt, um das Abwasser einer neuen Produktionsanlage in Mexiko von Pharmaspuren zu befreien. Es ging unter anderem um den Wirkstoff Capecitabin (API) in einem Medikament zur Krebstherapie, der nach Analysen als ökotoxikologisch kritisch eingestuft worden war. Hier punktete das AOP-Verfahren der Ozon-Oxidierung gegenüber UV/H2O2 und Aktivkohle vor allem unter ökologischen und ökonomischen Aspekten. Es wurde erst im Labormaßstab getestet und anschließend großtechnisch umgesetzt.
Abwasser immer aufs Neue analysieren
„Wir müssen die Zusammensetzung des Abwassers für jedes Projekt neu analysieren und unsere Behandlung anpassen“, beschreibt Billenkamp: Wie viel Wasserstoff, wie viel Peroxid braucht man, um die Schadstoffe so weit zu eliminieren, dass das Abwasser unproblematisch ist? Müssen zunächst Füllstoffe herausgefiltert werden? Wie lange muss man das Abwasser behandeln – 20 Minuten, eine Stunde oder länger? Oder: Welche Kapazität brauchen die UV-Lampen, um optimal zu funktionieren? Die individuelle Ausarbeitung der Anlagenlösung fordert bei jedem Projekt die volle Expertise der Fachleute. Auf diese Weise sammeln die Mitarbeitenden von EnviroChemie Erfahrungen über den optimalen Ressourceneinsatz bei unterschiedlichen Abwässern, gleichzeitig entwickelt das Team von Forschung & Entwicklung neue Technologien und bestehende Verfahren weiter.
Neben den auf das Abwasser abgestimmten Verfahren, der richtigen Dosierung und Behandlungsdauer gibt es weitere verfahrenstechnische Möglichkeiten, die Behandlung des Abwassers zu optimieren. Die EnviroWater Group, zu der auch EnviroChemie gehört, ist dafür als Spezialistennetzwerk von Unternehmen für die Abwasserbehandlung gut aufgestellt: Zum Beispiel mit dem Roturi-Verfahren bei Anwendungen mit Ozon, das up2e! entwickelt hat. Damit lässt sich das Ozon besonders effizient zur Entfernung von pharmazeutischen Wirkstoffen einsetzen.
EnviroChemie entwickelt gemeinsam mit Unternehmen aus der Pharmabranche nachhaltige Alternativen zur thermischen Verbrennung von Abwasser, das mit API-belastet ist. „Die Verfahren sind so ausgelegt, dass sie sich flexibel anpassen lassen, wenn sich die Zusammensetzung des Abwassers ändert“, sagt Billenkamp, „Und sie sollen sich auf lange Sicht rechnen.“